Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
so verwirrt aus wie ich. Er sah mich fragend an, jedoch konnte ich ihm keine Erklärung anbieten.
„Fynia… Fynia.. Wolfspfote… Fynia… Fynia…“
Sie sangen weiter. Allan hielt mitten in der Bewegung inne. Er hatte Fynia fast bis zum Fuße des Sendemasts geschleift. Nun schien es, als vernahm endlich auch er den Singsang der Schafe.
Wie unheimliche Statuen ragten sie aus Büschen, zwischen Pflanzen, Gebäuden und Holzstapeln hervor. Keines bewegte sich, aber der Gesang schwebte über der ganzen Szene wie ein skurriler Soundtrack.
„Was…?“, rief Allan und sah sich erschrocken um. Sein Gesicht zeigte unverhohlene Angst.
In dem Moment, da Allan Fynias Beine fallen ließ, zeigte sie ein erstes Lebenszeichen. Der kleine Wolf drehte den Kopf. Sie konnte nicht viel tun, doch sie schien alle Kraft, die sie noch hatte zusammen zu raufen und versenkte ihre scharfen Zähne tief in das schon blutüberströmte Fleisch von Allans rechtem Arm.
Er schrie hysterisch auf und riss an seinem Arm, aber Fynia hielt beharrlich fest. Die Schafe, es wurden immer noch mehr und mehr, der Gesang lauter und lauter, rückten nun Stückchen für Stückchen näher an die Szene heran.
„Fynia… Wolfspfote… Fynia… Wolfspfote…“
Jasper und ich sahen uns an. Ich nickte und wir folgten den Schafen langsam, immer hinter ihnen bleibend.
„Lass los die Mistviech!“, schrie Allan laut. Panik beherrschte seine Stimme. Er sah sich immer wieder hektisch nach den Schafen um.
„Bleibt weg, oder… oder...“ Erneut richtete er seine Waffe auf Fynia. Ihr ganzer Körper zuckte und dann wurde mir klar, dass es ein Elektroschocker sein musste. Angst schnürte mir die Kehle zu. Was musste sie schon für Qualen durchlitten haben an diesem Abend?
„Bleibt stehen!“, rief Allan erneut mit sich überschlagender Stimme und drohte mit dem Schocker.
Fynia, tapfer wie kein zweiter Mensch, den ich je gesehen hatte, hielt immer noch Allans Arm gefangen. Das zweite Gerät war völlig unbrauchbar in der so gefesselten Hand.
Sollten wir nun eingreifen? Mein Blick huschte über die Schafe. Die Szene war absurd und ich kam mir vor, wie jemand der einen echt seltsamen Film im Fernseher sah. Es roch nach Regen und nasser Wolle.
Die Schafe rückten stetig immer weiter und weiter auf den Sendemast zu. Allan drohte noch immer mit dem Schocker, doch die Schafe ließen sich davon nicht abhalten. Ob sie auch weiter machen würde, wenn Fynia dabei umkam? Dieser Gedanke lähmte mich und ließ mir das Blut gefrieren. Ich sah zu Jasper. Er stierte wie besessen auf Fynia und Allan. Ich konnte förmlich sehen wie seine Gedanken hin und her wirbelten. Gab es einen Ausweg mit Happy End?
„Bleibt stehen!“, schrie Allan nun so laut, dass es das ganze Dorf gehört haben musste. Seine Stimme klang schrill, verzerrt von blanker Panik. Er schien keinen Ausweg mehr zu sehen, also stemmte er sich mit seinem eigenen Gewicht gegen Fynia und drehte sie in der Luft. Fynia wirbelte hin und her, ließ aber immer noch nicht locker. Bewundernswert.
Doch dann setzte Allan wieder seinen Schocker an. Ich konnte nicht zählen wie oft er sie damit folterte. Sie zitterte und zuckte, wirbelte herum, wurde brutal auf den Boden und gegen die Streben des Sendemasts geschlagen, aber sie ließ nicht los.
Ihr Anblick trieb mir Tränen in die Augen. Aus Angst, aus Mitgefühl und Bewunderung für diese Frau.
„Ahhhhh!“, rief Allan mit letzter Kraft. Es war kein Angstschrei, sondern Ausdruck reinster Energie. Er drückte das Gerät an Fynias Brust. Mitten im Herumwirbeln zeigte seine Attacke endlich Wirkung.
Wie versteinert mussten Jasper und ich mit zusehen, wie Fynia im Flug die Kräfte verließen und sich nicht länger halten konnte. Begleitet von einem schmatzenden Geräusch, als sich ihre Zähne aus Allans Unterarm lösten, flog sie durch die Luft. Mitten im Flug verließ sie auch der Letzte Rest ihrer Kraft, die sie in ihrer Wolfsgestalt hielt. Noch bevor sie auf dem Boden aufschlug war sie wieder die Fynia, die ich kannte.
„Fynia…“, flüsterte Jasper neben mir, als hätte er erst jetzt wirklich begriffen, dass sie es war.
„Fynia… Fynia… Fynia… Fynia…“
Der Singsang der Schafe drang erneut laut an mein Ohr. So laut wie nie zuvor. Sie hatten Allan fast erreicht und bildeten nun einen unüberwindbaren Wall um die Beiden und den Sendemast.
Allan richtete sich auf, hielt seine verletzte Hand und starrte seine Umgebung halb irre, halb siegessicher
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