Gabe der Jungfrau
meine Brüder, die für Müntzer gekämpft haben. Ich will sie nach Hause holen!«
»Du wirst deine Brüder nicht finden. Tausende von aufständischen sollen getötet und in Massengräbern verscharrt worden sein. Und den Namen Müntzers solltet Ihr nicht leichtfertig erwähnen. Sie töten jeden seiner anhänger.« Der Mönch hielt inne und fügte dann leise hinzu: »Nachdem die Gefangenen enthauptet waren, zog es die Landsknechte in die Wirtshäuser. Ich bin zu den Toten auf dem Marktplatz geschlichen, um ihnen die Letzte Ölung zu geben, in der Hoffnung, unser Herrgott möge gnädig mit ihnen sein. Dabei habe ich beobachtet, wie ein Bursche, etwa in meinem alter, ein großes buntes Tuch im Brunnen auf dem Marktplatz auswusch. Er hielt das Tuch in die Höhe, und ich konnte Blutflecken und die Farben eines Regenbogens erkennen.«
»Wann war das?«, wisperte anna Maria.
»Es dämmerte bereits.«
»Weißt du auch, wo der Bursche abgeblieben ist?«, fragte Veit erregt. Der Mönch schüttelte den Kopf. »Nein. Ich konnte nur sehen, dass er in Richtung Schlachtergasse davoneilte.«
Als Peter Hauser und Friedrich in seinen Plan einweihte, wusste Friedrich sofort, wo er alles Notwendige dafür bekommen würde, und hatte sich auf den Weg in das Viertel der Metzger gemacht. Obwohl die Schlachthäuser am äußersten Ende der Stadt lagen, benötigte man wenig Zeit, um dorthin zu gelangen, da man nicht durch den Stadtkern musste. Doch heute schien Friedrich eine Ewigkeit zu brauchen.
Immer wieder musste er sich verstecken, da Landsknechte Gasse für Gasse durchsuchten. Einmal konnte ihn nur ein Sprung hinter eine Mauer retten. Dort hielt er sich versteckt und wartete, bis die Soldaten vorbeigezogen waren.
Bei ihrer Suche nach Müntzer drangen die Landsknechte rücksichtslos in die Wohnungen der Bürger ein und stießen Jung und alt auf die Straße, um anschließend die Häuser nach dem Flüchtigen zu durchsuchen. Jeder der Soldaten hoffte den Prediger zu finden, um die Belohnung, die die Fürsten für seine Ergreifung ausgesetzt hatten, zu erhalten. In seinem Versteck hinter der Mauer betete Friedrich, dass man weder Müntzer noch ihn entdecken würde.
Nachdem die Stimmen verhallt waren und wieder Ruhe in der Gasse herrschte, spähte Friedrich vorsichtig hinter der Mauer hervor. Erst als kein Laut mehr zu hören war, schlich er geräuschlos im Schatten von Hauswand zu Hauswand und presste dabei mit zittrigen Händen die noch feuchte Fahne an seinen Oberkörper.
Friedrich war entrüstet gewesen, als er begriffen hatte, dass seine Begleiter Matthias in der Regenbogenfahne beerdigen wollten. »aber nicht mit den Blutflecken darauf! So werden wir ihm nicht die letzte Ehre erweisen.« Daraufhin hatte er die Fahne unter seinem Hemd versteckt und war losgezogen, um sie auf seinem Weg ins Metzgersviertel in einem Brunnen auszuwaschen.
Während Friedrich weiter durch die Gasse lief, überlegte er angestrengt, wie er vom Schlachthof ungesehen in den Wald gelangen konnte, als er im Halbdunkel mit einem Mann zusammenstieß.
Unruhig ging Hauser am Waldrand auf und ab. Endlich hatte es aufgehört zu regnen, und die dunklen Wolken zogen fort, sodass sie einen rot gefärbten Himmel über dem Kyffhäuser Wald freigaben.
›Morgen wird es einen schönen Tag geben!‹, dachte der alte zynisch, als er das Farbenspiel am Horizont beobachtete.
Es war Hauser und Peter gelungen, den Leichnam unentdeckt vom Schlachtfeld wegzuschaffen und im nahen Wald in einem Erdloch zu verbergen. Während Peter am Grab seines Bruders wachte, war Hauser Friedrich in die Stadt gefolgt. Doch selbst nach Stunden hatte er den Burschen nirgends finden können. Zu vorgerückter Stunde war es für Hauser zu gefährlich geworden, da es überall von Landsknechten wimmelte. Immer wieder hatte er sich verstecken müssen und so war er erleichtert, als es ihm gelungen war, wieder ungesehen aus der Stadt hinauszugelangen. Jetzt wollte er hier im Schutz der Bäume auf Friedrich warten, um ihm den Platz zu zeigen, wo Matthias beerdigt lag.
Hauser blickte erneut zum Himmel. als er den Halbmond sah, wusste er, dass die verabredete Zeit verstrichen war. Peter, so war er sich sicher, würde bereits alles vorbereiten.
»Wo bleibt Friedrich nur?«, schimpfte er, als er plötzlich das Rattern von Rädern auf felsigem Grund vernahm.
Hauser versteckte sich hinter einem Baum. als er Friedrichs Stimme erkannte, die leise auf das Pferd einredete, stellte er sich
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