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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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jetzt begriff Reule, weshalb. Er hörte lautes Lachen und anfeuernde Rufe, Gejohle und Hurrageschrei, und plötzlich wurde ihm klar, warum nicht genug Wachen aufgestellt waren, um den Ort zu sichern. Er fauchte leise vor Abscheu, und das Geräusch wurde von seinem Schatten, Darcio, erwidert. Die anderen reagierten nicht, doch sie spürten Reules Zorn, und er spürte, dass sie ähnlich empfanden.
    Das machte ihn erneut empfänglich für den Schmerz.
    Diesmal traf er ihn noch heftiger als zuvor. Eine unendliche Traurigkeit, sodass ihm beinahe das Herz stehen blieb. Ein Schauer durchfuhr ihn, bis er auf eine schmerzhaft emotionale Weise reagierte. In all den Jahren hatte er so etwas noch nie gespürt. Er hatte Gedanken und Gefühle mit seinem Rudel geteilt, und noch nie war sie, seine Familie, in der Lage gewesen, ein so starkes Gefühl auf ihn zu übertragen. Doch wenn es nicht von seiner Familie kam, wer war dann dazu imstande, ihm so etwas aufzuzwingen? Mehr noch, was verursachte einen solchen Schmerz? Er war der Fähigste, der Empfindsamste, wenn es darum ging, solche Dinge zu fühlen, doch bestimmt hatte einer aus seiner Kaste schon einmal tiefen, anhaltenden Schmerz gespürt! Aber was machte diesen Schmerz für ihn so unglaublich heftig? Wie konnte er so leicht von ihm Besitz ergreifen, trotz seiner Fähigkeiten und Kräfte, sich solchen Dingen zu widersetzen?
    Reule versuchte die Gefühle abzuschütteln, während er unsicher gegen eine Wand sank. Darcio stürzte vorwärts und war augenblicklich bei ihm, als er seine Qual spürte. Reule zerstreute rasch die Sorge seines Freundes, erholte sich und schob den fremdartigen Schmerz von sich, um dem Rudel Selbstvertrauen und Stärke zu vermitteln. Sie hatten sich auf fremdem Territorium ablenken lassen, und er wäre verantwortlich, wenn einem von ihnen deshalb etwas passieren würde.
    Reule richtete ihre Aufmerksamkeit durch eine starke Emanation wieder neu aus, und er spürte, wie sie rasch wieder ihre Position einnahmen. Nur Darcio, der ihn hatte taumeln sehen, zögerte. Doch Reule setzte sich über dessen Bedenken hinweg und ging zur Tür.
    Als sie durch drei verschiedene Portale eindrangen, spürte Reule, wie Rye und Delano ihre Gegner ablenkten, indem sie sie hinauslockten, sodass sie rasch die Treppe erreichen konnten, die ins nächste Stockwerk führte. Reule suchte den ersten Stock ab, um sicherzugehen, dass sie niemanden mehr hinter sich hatten, und mit einem stummen Befehl schickte er Darcio einem Ausreißer hinterher. Dann machten er und das restliche Rudel sich auf den Weg nach oben.
    Sobald sie das zweite Stockwerk erreicht hatten, spürte Reule, wie ein Teil der Meute im Hauptraum in Alarmbereitschaft versetzt wurde. Sie waren jetzt nah genug, dass Empfindungen, ob nun übertragen oder nicht, sie verrieten. Reule und die anderen bewegten sich blitzschnell, wohl wissend, dass Schnelligkeit der Schlüssel war.
    Bevor sich die Schakale der drohenden Gefahr gänzlich bewusst wurden, taumelte die Hälfte von ihnen aufgrund lähmender Stichwunden und geschwächt vom Zweikampf rückwärts.
    Reule bewegte sich so schnell, dass er drei von ihnen umrannte, bevor er auf den ersten Widerstand stieß. Nachdem ein halbes Dutzend Schakale am Boden lagen oder gerade zu Boden sanken, stand das Rudel den jetzt hellwachen Gegnern gegenüber. Es wäre nicht so einfach, sie auszuschalten. Sechs Schakale standen aufmerksam und in Kampfpose da. Reule nahm sich nur eine Sekunde Zeit, um einen raschen Blick durch den Raum zu werfen, und was er sah, ließ Zorn in ihm hochkochen.
    Neben den Schakalen stand mitten im Raum ein Stuhl, der am Boden festgeschraubt war und aus schimmerndem Stahl bestand, der sich so kalt anfühlen musste, wie er aussah. Der Anblick jagte Reule einen Schauer über den Rücken. Doch das war nichts im Vergleich zu dem, was er fühlte, als er die Gestalt sah, die so weit nach vorn gesackt war, wie es die Fesseln um Handgelenke und Fußknöchel erlaubten, wobei Erstere an die flachen Metallarmlehnen und letztere an die Stuhlbeine gefesselt waren. Blut lief ihm aus Nase und Mund, die man zu einer breiigen Masse zerschlagen hatte. Stahlnägel waren ihm durch Unterarme und Waden getrieben worden, als hätten die Fesseln nicht genügt, um ihn bewegungsunfähig zu machen. Die Schakale hatten recht. Fesseln allein hätten ihren Gefangenen niemals gebändigt, auch wenn jetzt, während die Blutlache unter dem kalten Metallstuhl immer größer wurde, der Gefangene

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