Gäbe es die Liebe nicht
Die Musik schwoll an und schlug über ihnen zusammen. Sie ahnte, dass er in genau diesem Moment ein kleines Stück ihres Herzens erobert hatte. „Darum geht es fast immer.“
Er lächelte. „Vergessen Sie das nicht, Anna.“
Bevor sie reagieren konnte, hatte er seine Finger zwischen ihre geschoben. Hand in Hand genossen sie den Tanz auf der Bühne.
Während der Pause blieb er an ihrer Seite und verhielt sich ausgesprochen aufmerksam, bis es zu spät war, um sich zu entschuldigen und für den zweiten Akt zu ihren Freunden zurückzukehren. Als sie wieder in seiner Loge Platz nahm, sagte Anna sich, dass sie nur höflich war. Fünf Minuten lang saß sie reglos da, doch dann ergab sie sich der Romantik des Balletts.
Als das tragische Ende kam, spürte Anna die Tränen in sich aufsteigen. Obwohl sie starr nach unten schaute und heftig blinzelte, spürte Daniel, was in ihr vorging. Wortlos reichte er ihr sein Taschentuch. Sie nahm es mit einem leisen Seufzer.
„Es ist so traurig“, wisperte sie. „Egal, wie oft ich es sehe.“
„Manchmal muss das Schöne traurig sein, damit wir das Schöne auch dann schätzen, wenn es nicht traurig ist.“
Überrascht sah sie ihn an, Tränen noch an den Wimpern. Das hatte so gar nicht nach dem ungehobelten Klotz geklungen, für den sie ihn halten wollte. Beunruhigt sah sie wieder nach unten.
Als nach dem Finale der Applaus endete und die Lichter angingen, hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Dass sie innerlich noch immer aufgewühlt war, musste an der tragischen Geschichte liegen. Ohne es sich anmerken zu lassen, ließ sie sich von Daniel beim Aufstehen helfen.
„Noch nie habe ich ein Ballett so sehr genossen“, sagte er und streifte ihre Finger mit den Lippen. „Danke, Anna.“
Sie räusperte sich. „Das freut mich. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss zurück zu den anderen.“
Er ließ ihre Hand nicht los, als sie die Loge verließen. „Ich habe mir erlaubt, Myra zu sagen, dass ich Sie nach Hause bringe.“
„Sie …“
„Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem Sie so freundlich waren, mir das Ballett zu erklären“, unterbrach er sie. „Ich frage mich, warum Sie nicht Lehrerin geworden sind.“
Ihre Stimme wurde immer kühler, während sie die Stufen zum Parkett hinunterstiegen. „Sie hätten mich erst fragen sollen. Vielleicht habe ich ja noch etwas vor.“
„Verfügen Sie über mich.“
Anna verlor nicht oft die Geduld, doch dieses Mal war sie kurz davor. „Mr. MacGregor …“
„Daniel.“
Sie wartete, bis sie sich beruhigt hatte. „Danke für Ihr Angebot, aber ich kann allein nach Hause fahren.“
„Anna, Sie haben mir schon einmal vorgeworfen, unhöflich zu sein“, erwiderte er unbekümmert und führte sie zu seinem Wagen. „Was wäre ich für ein Mann, wenn ich Sie nicht wenigstens nach Hause fahre?“
„Ich glaube, wir wissen beide, was für ein Mann Sie sind.“
„Stimmt.“ Er blieb stehen. „Wenn Sie Angst haben, rufe ich Ihnen natürlich ein Taxi.“
„Angst?“ In ihren Augen blitzte etwas auf. Leidenschaft, Trotz, Temperament. Was immer es war, Daniel fand es faszinierend. „Sie überschätzen sich.“
„Andauernd.“ Er zeigte auf die Wagentür, die Steven ihr aufhielt. Zu verärgert, um einen klaren Gedanken zu fassen, stieg Anna ein. Sie nahm den Strauß Rosen in den Arm, um möglichst dicht an die gegenüberliegende Tür rücken zu können.
„Haben Sie immer Rosen in Ihrem Wagen?“
„Nur, wenn ich eine wunderschöne Frau ins Ballett begleite.“
Sie wünschte, sie hätte den Mut, die Rosen einfach auf die Straße zu werfen. „Sie haben das hier sorgfältig geplant, was?“
Daniel entkorkte den Champagner. „Ich versuche, stets auf alles vorbereitet zu sein.“
„Myra meinte, ich sollte mich geschmeichelt fühlen.“
„Myra scheint eine kluge Frau zu sein. Wohin darf ich Sie bringen?“
„Nach Hause.“ Sie nahm das Glas, das er ihr reichte, und nippte daran, um sich zu beruhigen. „Ich muss morgen sehr früh aufstehen. Ich arbeite im Krankenhaus.“
„Sie arbeiten?“ Stirnrunzelnd schob er die Flasche wie der ins Eis. „Sagten Sie nicht, sie hätten noch ein Jahr bis zum Examen?“
„Das ist richtig, aber im Moment sieht meine klinische Ausbildung unter anderem vor, dass ich Bettpfannen leere.“
„Ich finde nicht, dass eine junge Frau wie Sie so etwas tun sollte.“ Daniel leerte sein Glas und füllte es erneut. „Ich finde, Sie sollten daran denken, bald zu heiraten und eine
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