Gäbe es die Liebe nicht
ihm auf dem Sitz. Er nahm eine davon und strich mit der Blüte über seine Lippen. Sie war nicht annähernd so weich und duftend wie Anna. Sie hatte die Rosen zurückgelassen, aber er würde sie ihr morgen früh schicken. Vielleicht nicht ein, sondern zwei Dutzend. Dies war erst der Anfang.
Seine Hand zitterte ein wenig, als er nach der Champagnerflasche griff. Daniel füllte das Glas bis zum Rand und leerte es in einem Zug.
3. KAPITEL
Am nächsten Morgen arbeite Anna im Krankenhaus. Nicht jedoch als Ärztin, sie hatte noch viel zu lernen. Also faltete sie Laken und legte Zeitschriften aus. Und sie sah, wie die jungen Ärzte sich nach einer nahezu schlaflosen Nacht auf die erste Visite konzentrierten. Viele von ihnen würden es trotz bester Noten im Examen nicht schaffen. Aber sie würde es. Anna sah und hörte genau hin und wurde immer entschlossener, nicht zu scheitern.
Und sie lernte noch etwas. Etwas, das sie nie vergessen würde: Die Ärzte untersuchten und stellten Diagnosen, aber es war das Pflegepersonal, das heilte. Am Rande der Erschöpfung, doch stets voller Hingabe.
Und jetzt, vor dem letzten Studienjahr, nahm Anna sich etwas vor. Ganz fest. Eisern. Sie würde Ärztin werden, Chirurgin, aber sie würde mit ihren Patienten fühlen, so wie die Krankenschwestern es taten.
„Oh, Miss Whitfield.“ Mrs. Kellerman, die Oberschwester, hielt Anna mit einer knappen Handbewegung auf. Seit achtzehn Jahren, seit sie Witwe war, arbeitete sie in ihrem Beruf. Mit fünfzig war sie unerschütterlich wie eine Veteranin und so unermüdlich wie eine Lernschwester. „Mrs. Higgs auf 521 hat nach Ihnen gefragt.“
„Wie geht es ihr heute?“ fragte Anna.
„Sie ist stabil“, erwiderte die Oberschwester, ohne den Blick von ihren Unterlagen zu nehmen. Sie hatte die Hälfte ihrer Zehnstundenschicht hinter sich und keine Zeit für Geplauder. „Ihre Nacht war ruhig.“
Anna unterdrückte ein Seufzen. Sie wusste, dass Mrs. Kellermann selbst nach der Patientin gesehen hatte und ihr Genaueres hätte sagen können. Die Oberschwester war jedoch leider der Ansicht, dass in einem Krankenhaus Männer die Ärzte und Frauen die Schwestern waren. Ohne Ausnahme. Anna verkniff sich einen Kommentar und steuerte Zimmer 521 an.
Durch die geöffnete Jalousie schien die Sonne auf weiße Wände und weiße Laken. Mrs. Higgs lag reglos in ihrem Bett. Ihr schmales Gesicht war faltiger, als es einer noch nicht Sechzigjährigen anstand. Ihr Haar war schütter, das Grau gelblich. Das Rouge, das sie früh am Morgen aufgelegt hatte, wirkte unnatürlich. An den blassen Händen stach der rote Nagellack hervor. Anna lächelte. Mrs. Higgs hatte ihr gestanden, wie eitel sie trotz ihres Zustands noch immer war.
Leise ging Anna ans Fenster, um die Jalousien zu schließen.
„Nein, Kindchen, ich mag die Sonne.“
Anna drehte sich zum Bett um. Mrs. Higgs lächelte ihr zu. „Tut mir Leid. Habe ich Sie geweckt?“
„Nein, ich habe nur ein wenig geträumt.“ Es war unübersehbar, dass sie Schmerzen hatte. „Ich habe gehofft, dass Sie heute zu mir kommen würden.“
Anna setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. „Ich habe Ihnen eine Modezeitschrift meiner Mutter mitgebracht. Sie glauben ja nicht, was Paris sich als neue Herbstmode vorstellt.“
Mrs. Higgs lachte nur. „Das ist nichts gegen die zwanziger Jahre. Wer damals mit der Mode gehen wollte, brauchte tolle Beine und großen Mut.“ Sie zwinkerte Anna zu.
„Die haben Sie noch.“
„Den Mut vielleicht, aber nicht die Beine.“ Seufzend drehte Mrs. Higgs sich auf die Seite. Sofort stand Anna auf, um ihr das Kissen zurechtzurücken. „Ich sehne mich nach meiner Jugend zurück, Anna.“
„Ich dagegen wäre gern älter. Nur ein Jahr.“
„Keine Angst, Anna. Sie schaffen Ihr Examen. Und danach werden Sie sich nach der Zeit davor zurücksehnen, glauben Sie mir.“
„Vielleicht haben Sie Recht.“ Behutsam nahm Anna ihr Handgelenk und maß den Puls. „Aber ich kann es kaum abwarten, richtig anzufangen.“
„Kennen Sie die hübsche Schwester, die hoch gewachsene mit dem roten Haar?“
Anna warf einen Blick auf Mrs. Higgs Krankenblatt. Noch eine Stunde, bis sie ihre Medikamente bekam. „Ja.“
„Sie hat mir heute Morgen geholfen. Sie ist so süß. Sie wird bald heiraten und erzählt immer von ihrem Liebsten. Sie tun das nie.“
„Was tue ich nie?“
„Sie erzählen mir nie von Ihrem Freund.“
Die Blumen neben dem Bett sahen welk aus. Anna schob sie zusammen. Sie wusste, dass
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