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Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Titel: Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta Becker
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um mich seelisch und moralisch zu unterstützen. So haben wir uns den Tag aufgeteilt und ich konnte nach Hause fahren, um zu duschen, Wäsche zu waschen oder einfach zu entspannen. Für meine Schwiegereltern war Andreas das erste Enkelkind, für meine Eltern das zweite.
    Es gestaltete sich sehr schwierig, ihnen allen beizubringen, dass ihr Enkelsohn Epilepsie und nicht nur Fieberkrämpfe hatte und sich die Anfälle nicht, wie sie immer hofften, „auswachsen“ würden. Keiner von uns hatte je vorher etwas über Fieberkrämpfe gehört oder gelesen, doch nun schienen die Zeitungen und Magazine voll davon zu sein. Ständig hörten wir von Bekannten, deren Nachbarn einen Freund hatten, die wiederum Verwandte hatten, bei denen so was auch schon mal aufgetreten sei. Wir sollten uns keinen Kopf machen. Alles würde wieder gut werden.
    Es war für alle sehr schwer, als offensichtlich wurde, dass Andreas nicht nur Epileptiker war, sondern auch noch behindert. Diese Ahnung beschlich mich bereits lange bevor ich mit Ulli darüber sprach. Ich war nicht blind, und auch wenn ich vor dem Gespräch mit Ulli von anderen Ärzten nie eine wirklich klare Auskunft bekommen hatte, so sah ich es doch und ahnte es: Mein Andreas hatte eine Behinderung. Wie sie sich wirklich auswirken würde, das wusste ich natürlich nicht und ich hasste es, das nicht zu wissen. Ich begann also, meine Familie darauf vorzubereiten, dass Andreas sich nicht wie andere Kinder normal weiterentwickeln würde.
    Niemand hat Andreas’ Krankheit oder Behinderung je als Makel empfunden, sondern beides immer unter dem Aspekt „Schade, so ein hübscher Junge“ betrachtet. Die Hoffnung, dass eines schönen Tages irgendein Vorhang zerreißen würde und Andreas als gesunder, junger Mann dahinter hervorkommen würde, gaben sie nie auf. Manchmal hatte ich selbst das Gefühl, dass es so sein müsste. Erkennen und zugeben, dass Andreas in seiner Entwicklung zurückblieb, wollte niemand. Mit Aussagen, wie: „Ach, das wird schon, das macht er schon“, trösteten sie sich selbst über das Unausweichliche hinweg. In den ersten Jahren hörte ich sie nie sagen: „Ja, mein Enkel ist behindert.“ Immer umschrieben sie es mit: „Ja, mein Enkel ist krank.“
    Ob es der Ausdruck dafür war, dass sie immer noch Hoffnung hatten, dass sich alles zum Guten wenden würde? Ich weiß es nicht, es spielt auch keine Rolle.
    Stück für Stück und Schritt für Schritt, in unendlich vielen Gesprächen, teilte ich meine Ahnung mit, bereitete die Großeltern darauf vor, dass ihr Enkel immer krank sein würde, dass er niemals ein selbstständiges Leben würde führen können. Ich wusste nicht, wie unser weiteres Leben verlaufen würde, was da alles auf meine Familie und mich zukommen würde.
    Meine Eltern und Schwiegereltern darauf vorzubereiten, dass Andreas zwar erwachsen werden, aber niemals den Stand eines Erwachsenen erreichen würde, ging oftmals an meine eigenen Grenzen. Aber wir haben es geschafft. Sie alle konnten es irgendwann aussprechen, konnten sagen, dass unser Andreas eine Behinderung hat.

LEICHTES FIEBER
    Während des Aufenthalts im Krankenhaus wurde mir klar, dass wir, mein Mann und ich, unseren Traum, mit unseren Kindern für eine Zeit im Ausland zu leben, niemals würden realisieren können. Ich wollte aber auch nicht immer alleine mit meinem Sohn sein, während mein Mann in der Welt herumreiste. Mir wurde klar, dass ich in Erlangen nichts mehr verloren hatte, auch wenn ich inzwischen eine Mutter kennen gelernt und mit dieser eine Freundschaft geschlossen hatte, die bis heute besteht. Als Dieter von einem Einsatz nach Hause kam, sprachen wir darüber. Ich erklärte, dass ich dort wohnen und leben wollte, wo unsere Familie war, die mich unterstützen konnte.
    Mein Mann bat seinen Chef, ihn nach Mannheim zu versetzen. Als er den Grund hörte war er sofort bereit, sich dafür einzusetzen. Es dauerte nur ein paar Tage und wir hatten den Bescheid, dass das Gesuch genehmigt worden war. Also brachen wir unsere Zelte in Erlangen ab und zogen zurück in unsere Heimatstadt. Bis wir den Umzug realisieren konnten wurde es Herbst. Kaum waren wir umgezogen kam Andreas’ nächster Krankenhausaufenthalt: wieder in Erlangen, denn das sollte die betreuende Klinik bleiben. Er war auffällig geworden, nicht unbedingt durch seine Anfälle, sondern dadurch, dass er immer eine erhöhte Körpertemperatur hatte. Kein Mensch wusste, woher das kam. Alle möglichen Tests waren negativ, keine

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