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Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Titel: Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta Becker
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Untersuchung brachte ein Ergebnis. Das Ergebnis der Blutabnahme, die wegen eines Schilddrüsenfunktionstests gemacht worden war, stand noch aus, aber das konnte ich auch zu Hause abwarten. Es war Vorweihnachtszeit und ich wollte mit Andreas einfach nur zu Hause sein. Weihnachten konnte kommen. Der erste Jahrestag des ersten Krampfanfalls. Niemals mehr werde ich am ersten Feiertag gegen 17 Uhr nicht auf die Uhr schauen, nicht daran denken.

WENN NICHTS PASST
    Die Ärzte spekulierten also was das Zeug hielt über Andreas’ Gesundheitszustand, jedoch waren sie sich zu diesem Zeitpunkt in nichts sicher. Andreas’ EEGs passten nicht so richtig zu den Anfällen und die Anfälle scherten sich einen feuchten Kehricht um das EEG.
    Zu Hause angekommen schaute ich mich nach einem Spezialisten in unserer Nähe um und fand einen in Gießen. Es gab noch kein Internet und die Suche nach Ärzten gestaltete sich wesentlich schwieriger als heute. Mitte Januar bekam ich dort einen Termin. Andreas’ Anfallsbereitschaft verhielt sich mittlerweile proportional zu seiner gestiegenen Körpertemperatur. Ihm ständig fiebersenkende Medikamente zu geben widerstrebte mir. Also fristete mein Sohn in diesem Abschnitt seiner Krankheit sein Dasein in Kleinkindbodys. Wenn wir das Haus verließen, zog ich mich zuerst komplett an, bevor ich begann, ihn anzuziehen. Bis ich ihn soweit fertig hatte, lief mir der Schweiß in kleinen Rinnsalen den Rücken hinunter. Ich hatte keine Erklärung für die erhöhte Temperatur, die Kinderklinik hatte auch keine gefunden. Es war eben so.
    Neben diesen Temperaturstörungen entwickelte mein kleiner störrischer Sohn Anfälle, mit denen ebenso niemand etwas anzufangen wusste und die erst recht nicht kategorisierbar waren. Er nickte vornehm und keinesfalls ruckartig mit seinem Kopf, schlug niemals irgendwo auf und war dabei immer ansprechbar.
    Einige Tage bevor ich zu dem Arzt nach Gießen fuhr, rief ich Ulli an, der mein fester Ansprechpartner geworden war. Ich bat ihn um den Bericht über Andreas’ letzten Klinikaufenthalt. Das Schreiben von Arztbriefen gehörte nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Wenige Tage nachdem ich ihm meine Bitte mitgeteilt hatte, rief er mich an.
    Nach der üblichen höflichen Begrüßung fand in etwa folgender Dialog statt:
    „Ich habe mir gerade Andreas’ letzte Blutwerte angesehen, um den Arztbrief zu diktieren.“
    „Ja, und?“
    „Ich habe dabei festgestellt, dass die Schilddrüsenwerte bei Andreas auffällig sind.“
    „Inwiefern auffällig?“
    „So auffällig, dass eine Aufnahme zur weiteren Abklärung notwenig ist. Damit ließe sich vielleicht die erhöhte Körpertemperatur erklären.“
    „Ja, und was jetzt?“
    „Ich schlage vor, dass Sie mit ihm noch mal stationär hierher kommen.“
    „Wann?“
    „So schnell es geht.“
    „Aber sicher erst nach meinem Termin in Gießen.“
    Ich bin ehrlich genug, zuzugeben, dass ich ein klein wenig Hoffnung hatte, die Anfälle würden verschwinden, wenn die Ursache für diese erhöhte Körpertemperatur gefunden war, aber wirklich daran geglaubt habe ich nicht.
    Der Termin in Gießen brachte nichts Neues, das Kopfnicken sei wohl eher ein Tick und kein epileptisches Geschehen. Der Arzt dort wollte abwarten, was die weiteren Untersuchungen in Erlangen ergeben würden. Ich packte also wieder einmal Andreas’ und meine Sachen und fuhr nach Erlangen. Und ich war schwanger. Ganz sicher, der Test war positiv. Beim Arzt war ich nicht mehr gewesen, dazu hatte ich keine Zeit.
    Gleich am Nachmittag nach unserer Ankunft fiel der Stationsschwester Andreas’ blasse Gesichtsfarbe auf, die so gar nicht zu seinem restlichen gebräunten Körper passte. Sie bat eine Kollegin, seinen Blutdruck zu messen, der überraschend hoch war. Mir war zu Hause ein oder zwei Wochen zuvor aufgefallen, dass Andreas auf seiner linken Körperseite, ungefähr in Höhe seiner Taille, druckempfindlich war. Das gab ich auch bei der Eingangsuntersuchung an.
    Als die Schwestern und ich auf dem Flur standen um über das Messergebnis zu sprechen – Andreas tobte inzwischen den Flur entlang – gesellte sich der Oberarzt zu uns und mischte sich ein. Die Tatsache, dass der Blutdruck für so einen kleinen Mann relativ hoch war, kommentierte er mit: „Bei so kleinen Kindern kann man den Blutdruck gar nicht messen. Der Junge hat nix außer der Epilepsie.“
    Diese Worte sagte er, während er mich mit diesem

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