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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Mantel?
    Ich absentierte mich in die Küche und machte mich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Er kam hinterher und pulte sich die Westenknöpfe auf. Eine Kostprobe stoischer Geduld.
    Ich löffelte Kaffeepulver in den Filter.
    Richard schnüffelte mit geblähten Nüstern. Er überwältigte den letzten Westenknopf. »Die arme Frau Meisner. Sie hatte Gäste daheim. Aber Fängele wollte reden, obwohl sein An walt ihm dringend davon abriet.«
    Ich goss Wasser in die Maschine und knipste sie an.
    Richard hielt beim zweiten Hemdknopf inne und sah mich an. Ich hörte auf, mir den erkalteten Fuß an der nackten Wade zu reiben, und widerstand der Versuchung, das Herrenhemd, das mir als Nachtgewand diente, kokett zusammenzuraffen.
    »Entschuldige«, sagte er, »habe ich dich eigentlich geweckt?«
    »Nun werd bitte nicht gleich höflich!«
    Die Kaffeemaschine rülpste.
    Richard knibbelte weiter an seinen Hemdknöpfen und sog die Kaffeedüfte ein, während seine Augenbrauen bei jedem überwältigten Knopf in die Höhe zuckten.
    »Übrigens«, fuhr er fort, »du hast dich mit dem Schlüssel geirrt. Schiller hatte ihn zwar bei Fängele liegen gelassen, aber Fängele nahm ihn und ging durch die Halle hoch. Du hast ihn nur einfach nicht gesehen vor lauter Wettturnen mit mir, und ich auch nicht. Was dann passierte, konnte Fängele kaum sagen. Schiller muss schon auf der neu zusammengeschraubten Bank gelegen haben. Vielleicht erschrak er, als Fängele auftauchte. Die Arme seien ihm plötzlich eingeknickt. Hundert Kilo waren wohl doch zu viel. Die Stange fiel ihm in den Hals. Er röchelte und verstarb. Fängele war geschockt, dachte an den vorhergehenden Streit, wollte plötzlich nicht gesehen werden, zog sich mithilfe von Schillers Schlüssel leise durch den Notausgang zurück und schickte Gertrud hinauf. Er wollte, dass du bei ihm im Büro saßest, wenn Schillers Leiche gefunden wurde.«
    Ich stellte schon mal die Kaffeebecher auf. »Und worüber haben sie sich gestritten?«
    »Fängele wollte, dass Adipoclear aus dem Schlachthof verschwindet. Nach Anettes Tod interessierte sich die Polizei für die harmlosere, allerdings in Deutschland verbotene Variante. Außerdem kamst du und stelltest Fragen nach Anette. Aber Schiller wollte auf die Einnahmen nicht verzichten. Er kassierte pro Packung 50 Mark. Außerdem war Schiller aufgefallen, dass es zwei Varianten geben musste, die aus Zürich ge liefert wurden, eine, mit der die Frauen abnahmen, eine ande re, die kaum wirkte. Das hielt er Fängele vor und verlangte erstens eine Beteiligung am Geschäft mit dem Wundermittel und zweitens Schweigegeld. Sein Fehler war, dass er drittens im Rausch des Triumphs nachkartete, Gertrud habe ein Verhältnis mit Horst. Vielleicht hoffte Schiller, auf diese Weise einen Keil zwischen Horst und Fängele zu treiben, doch Fängele rastete aus. Und wieder mal wurde zuerst der Bote geköpft. Er habe in der Tat an Mord gedacht, räumte Fängele ein, als er nach oben stieg, um den Frechling noch einmal zur Rede zu stellen. Ich persönlich glaube, er hat ihm die Stange in den Hals gedrückt, als Schiller sie abwerfen wollte, aber es fehlen die Fingerabdrücke, und dass der Richter sich allein von Gut achtern überzeugen lässt, halte ich für zweifelhaft.«
    Ich ließ Löffel in die Kaffeebecher klirren. Richard zippel te sich das Hemd aus dem Hosenbund und zerstörte mit einem Mal die eherne Ordnung seiner Erscheinung zugunsten einer gedankenlosen Vertraulichkeit.
    »Aber den Horst hat Fängele nachweislich auf dem Gewissen. Zwar konstruierte er nach dem Tod Schillers mit deiner Hilfe äußerst kaltblütig sein Alibi, aber er stand doch unter Stress. Erstens wollte er weder seine Frau noch deren Vermögen verlieren, zweitens gefährdete Horst sein Alibi. Denn die Entdeckung des Holzkeils am Notausgang brachte Horst auf die Idee, dass Schiller ermordet worden war von einem, der sich dort hereingeschlichen hatte. Vertrauensvoll ging er damit zu Fängele, der sich kurz vor der Entdeckung wähnte und sich schon im Klammergriff des Muskeltölpels sah, der nun statt Schiller am Adipoclear-Geschäft beteiligt werden wollte. Fängele stellte Horst die Bedingung, dass zuvor dir eins ausgewischt werden müsse, um dich von weiteren Nachforschungen abzuhalten. Deine Adresse stand in der Kundenliste. Sie legten sich auf die Lauer. Du ranntest von einem Haus zum nächsten. Die Gelegenheit ergab sich erst am Funkhaus. Da war Fängele schon klar, dass Horst diesen Kampf nicht

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