Galaxis Science Fiction Bd. 15
zweiten. Und dann noch die Knochen der Vorderbeine, sehr gut erhalten und erstaunlich lang.
Wie hatte das lebende Tier nun ausgesehen?
Collini legte sich nicht fest; er beschrieb seinen Fund in allen Einzelheiten, zog aber keine Schlüsse auf sein wirkliches Aussehen, bezeichnete ihn beiläufig als die Überreste eines ›unbekannten Meerestieres‹ . Warum er glaubte, ein Meerestier vor sich zu haben, ist wohl der Tatsache zuzuschreiben, daß die Versteinerungen im Schiefer von Eichstätt (von wenigen, wenn auch wichtigen Ausnahmen abgesehen) alle von Meerestieren stammen, wie Krebsen, Fischen, Seelilien usw.
Zwanzig Jahre später beschäftigte sich Georges Cuvier aus Paris mit dem Fund und kam zu der Überzeugung, daß hier die Überreste eines fliegenden Reptils vor ihm liegen mußten.
Es war das erste seiner Art, von dem die Wissenschaft erfuhr, und Cuvier gab ihm den Namen Pterodactylus.
Cuviers Talent, etwas richtig zu erkennen, von dem es kein lebendes Gegenstück mehr gab, war bewundernswert, trotzdem gelang es ihm nicht so schnell, seine wissenschaftlichen Kollegen von der Richtigkeit seiner Ansichten zu überzeugen. Die Vorstellung eines fliegenden Reptils leuchtete ihnen einfach nicht ein. Vögel konnten fliegen und auch Fledermäuse, aber Reptilien?
Aus dem Grunde glaubte Professor Johannes Wagner – noch im Jahre 1830 und nach Cuviers dritter Veröffentlichung über das Thema –, daß Collini mit seinem Meerestier vermutlich recht gehabt hätte, und rekonstruierte Pterodactylus wie Abbildung 13 es zeigt. Wie Brustfinnen dieser außergewöhnlichen Größe arbeiten, hat er allerdings niemals erklärt. Jedenfalls würde ihn die moderne Auffassung vom Aussehen des Pterodactylus, Abbildung 14, sehr überrascht haben.
Abb. 13 – Collinis unbekanntes Meerestier
Abb. 14 – Pterodactylus aus der Jura-Zeit
GENAUSOWENIG wie es heute noch fliegende Reptilien gibt, gibt es auch keines mehr, das ausschließlich auf seinen Hinterbeinen herumläuft. Die australische Eidechse Chlamydosaurus tut es, wenn sie es eilig hat, und auch von den Monitor-Echsen der Alten Welt und den Iguanas der Neuen Welt wird ähnliches berichtet. Aber keine von ihnen spaziert auf ihren Hinterbeinen so herum, wie vielleicht ein Strauß es tut. Und doch haben in der geologischen Vergangenheit unserer Erde viele Reptilien gerade das getan; als klassisches Beispiel denkt man hier sofort an das Iguanodon. Als seine ersten Überreste allerdings zutage befördert wurden, war diese Tatsache, daß viele Dinosaurier auf zwei Beinen gingen, noch nicht bekannt. Und das Iguanodon selber tat auch nicht viel dazu, dies zu enthüllen, denn zuerst wurden von ihm nur wenige Zähne gefunden.
Hier beging Cuvier einen Fehler; er glaubte, sie gehörten zu einem Rhinozeros. Es war Gideon Mantell in England, dem die Ähnlichkeit dieser Zähne mit denen der noch lebenden Iguanas auffiel und der daraus schloß, daß sie einem sehr großen pflanzenfressenden Reptil gehört haben mußten.
Dann wurden ein paar Knochen gefunden, ein Stück vom Schädel und merkwürdige Knochenstacheln, fast wie gerade Hörner. Man fand auch große dreizehige Fußabdrücke, wußte allerdings noch nicht, daß sie das Iguanodon hinterlassen hatte.
Gideon Mantell freute sich besonders über das Horn, das übrigens seine Frau entdeckt hatte. Die Zähne ähnelten jenen der lebenden Iguanas, und einige dieser Echsen tragen ein kleines Horn auf ihrer Nasenspitze. Hier war also der Beweis, daß das ausgestorbene und mächtige Iguanodon ebenfalls ein Nasenhorn besessen hatte. Mantell entwickelte daraus sogar eine Vorstellung ›notwendiger Ähnlichkeiten‹, die er ›das Gesetz der Wechselbeziehungen‹ nannte.
JETZT war es an der Zeit, eine Zeichnung herzustellen. Ein Künstler, ein gewisser John Martin, skizzierte etwas, das wie ein zu groß geratenes Iguana aussah. Da die Hinterbeine noch nicht gefunden worden waren, gab ihnen der Künstler das Aussehen von Bärentatzen. Die Vorderbeine, teilweise bekannt, genauso. Der Schwanz war kurz und gedrungen, der Hals ebenfalls. Der Kopf war zum größten Teil Phantasie, aber Frau Mantells Knochenstachel thronte auf seiner Nase.
Das war 1838.
Wenige Jahre später wurde der Londoner Kristallpalast gebaut, und da ›die riesigen Tiere der Vergangenheit‹ gerade en vogue waren, mußten sie dort selbstverständlich auch vertreten sein. Der Bildhauer Waterhouse Hawkins wurde damit beauftragt, für den Garten des
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