Ganz die Deine
Eine billige schwarze Berreta. Ich wartete. Dabei dachte ich an Lali. Sie würde nicht damit fertig werden. Ich schaltete das Radio ein und suchte nach einem Sprecher mit lauter Stimme, der am besten unaufhörlich redete. Einer, der mich an nichts denken ließ, nicht einmal an das, wovon er selbst sprach. Schließlich fand ich genau so einen. Ich stellte so laut, wie es meine Kopfschmerzen zuließen. Und wartete. Ich spürte, dass mir die Füße einschliefen, und fing an, sie kreisförmig zu bewegen. Fünfzehnmal rechtsherum. Fünfzehnmal linksherum. Mir fiel die dunkelbraune Perücke wieder ein, die mit dem weichen, langen, glatten Haar. Nochmals fünfzehn Drehungen rechtsherum. Vier linksherum – da öffnete sich das Garagentor. Ein Auto fuhr heraus. Ich hob vorsichtig die schwarze Brille an, um sicherzugehen: Es war nicht Ernesto. Ich schaltete das Radio aus. Schaltete es wieder an. Suchte nach Musik. Blieb bei einem langsamen, alten Schlager hängen. Er erinnerte mich an ich weiß selbst nicht was. Es war schrecklich. Fast hätte ich angefangen zu heulen. Aber als mir die ersten Tränen in die Augen traten, schaltete ich zurück zu dem geschwätzigen Radiosprecher und drehte wieder voll auf. Aus dem Haupteingang kamen die Empfangsdame, der Personalchef, zwei Lehrlinge. Die Empfangsdame ging auf die Stelle zu, wo ich parkte. Ich setzte mir die Sonnenbrille wieder auf. Sie ging an mir vorbei, sah mich aber nicht einmal an. Wieder öffnete sich das Garagentor. Ein Lieferwagen. Blau, wie Ernestos Auto. Welche Marke weiß ich nicht, von Automarken habe ich keine Ahnung. Aber es war ein Lieferwagen, kein PKW. Da war ich mir sicher. Ich rückte mir die Perücke zurecht, schob sie ein wenig nach rechts. Wie schön die dunkelbraune Perücke gewesen war! Eines Tages vielleicht … Schon wieder ging das Garagentor auf. Diesmal war er es. AVE 624. Ernesto Pereyra. Mein Mann. Noch mein Mann. Ich startete meinen Mietwagen und fuhr hinter ihm her. Langsam. Ernesto fuhr sehr langsam. Dabei ließ er den Ellbogen zum Fenster hinaushängen. Als hätte sich nichts auf der Welt verändert. Bei der ersten Ampel blinkte er. Ich tat es ihm nach. Das war nicht der Weg nach Hause. Kein Wunder, weshalb sollte er auch nach Hause wollen? Weshalb sollte er mir sein ganzes Leben lang treu sein? Weshalb sollte er mich Charo vorziehen? Zwei Querstraßen weiter parkte er gleich nach der Kreuzung. Ich konnte keinen Platz zum Parken für mich entdecken. Ich wollte mich aber nicht von ihm entfernen, also hielt ich in einem gewissen Abstand in zweiter Reihe. Ich schaltete das Warnblinklicht an. Ich schaltete es wieder aus, bloß keine Aufmerksamkeit erregen. Einige Minuten verstrichen. Fünf. Zehn. Ich sah, wie Ernestos Arm außerhalb des Fensters jemanden begrüßte. Ich sah in die Richtung seiner Bewegung. Charo überquerte die Straße und kam auf ihn zu. Die Ampel sprang auf Gelb, und sie ging schneller. Sie lief fast. Dabei hüpften ihre Brüste unter dem weißen T-Shirt. Ich musste an das Sektglas denken. Ich stellte mir vor, wie ihre Brüste von einem Paar solcher Kelche angesaugt wurden. Fast hätte ich lachen müssen. Sie küsste ihn. Charo Ernesto. Durch das offene Autofenster, dann ging sie um das Auto herum und stieg ein. Ernestos Auto setzte sich in Bewegung. Der Mietwagen desgleichen. Immer schön hinterher. Mit Sicherheitsabstand. Sie unterhielten sich. Ernesto und ich, wir unterhielten uns nie, wenn wir zusammen im Auto unterwegs waren; jeder War mit seiner Sache beschäftigt, Ernesto konzentrierte sich auf den Verkehr, ich genoss die Landschaft. Sie bogen in den Hof eines Stundenhotels in der Calle Monroe ein. Ernesto und Charo. Ich fuhr daran vorbei und anschließend einmal um den Block. Dann noch einmal an dem Hotel vorbei und nochmals um den Block. Ich suchte nach einem Parkplatz. In der Nähe, aber nicht zu nah. Ich entschied mich für eine ruhige Nebenstraße, parallel zur Calle Monroe, drei Querstraßen entfernt. Ich parkte vor einem Ziegelhaus mit weißen Fensterläden. Das Holz benötigte dringend einen Neuanstrich. Mit der Handtasche unterm Arm stieg ich aus und ging zu dem Hotel. Ich betrat die Rezeption, aber der Mann hinter der Theke sagte, Frauen ohne Begleitung hätten keinen Zutritt. Ich sagte, ich brauchte ein Zimmer zum Masturbieren. »Nein, tut mir leid«, antwortete der picklige Typ. Ich ging wieder hinaus. Ich sah mich nach jemandem um, mit dem ich hineingehen könnte. So ein Schwachsinn. Ich verwarf die Idee
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