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Ganz, nah!

Titel: Ganz, nah! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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zurück. »Es war richtig, dass ich in der letzten Szene im zweiten Akt deinen Text geändert habe. Hast du gemerkt, wie stark das Publikum darauf reagiert hat? In der einen Minute haben noch alle gelacht, und dann wurde ihnen schlagartig klar, was du tun wolltest, und am Ende haben alle geweint. Innerhalb weniger Zeilen von Freude zu Leid. Nun, mein Liebling, das nenne ich brillant geschrieben - und natürlich brillant gespielt. « Er trank einen Schluck Champagner, und nachdem er ein paar Minuten lang gedankenverloren geschwiegen hatte, fügte er hinzu: »Nach der Matinee morgen muss ich vielleicht noch ein bisschen an dem Dialog zwischen dir und Jane im dritten Akt ändern. Ich bin mir aber noch nicht sicher. «
    Leigh sagte nichts. Sie schminkte sich rasch zu Ende, bürstete sich die Haare und verschwand dann wieder hinter dem Paravent, um sich das Kleid anzuziehen, das sie mit ins Theater gebracht hatte. Vor der Garderobe war der Lärmpegel dramatisch angestiegen, da Schauspieler, Mitarbeiter und alle Leute, die einflussreich genug waren, um Backstage-Pässe zu erhalten, lachend und schwatzend nach draußen strömten, um den Triumph mit Freunden und Familien zu feiern. Normalerweise hätten Jason und sie sich ihnen angeschlossen, aber heute war Leighs fünfunddreißigster Geburtstag, und Logan war entschlossen gewesen,  ihn über der Premiere nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
    Als sie hinter dem Paravent auftauchte, trug sie ein täuschend schlichtes rotes Seidenkleid mit schmalen, perlenbesetzten Trägem, passenden hochhackigen Schuhen und einer mit Strass besetzten Judith Leiber Abendtasche, die an einer dünnen Kette baumelte.
    »Rot? «, sagte Jason grinsend und stand langsam auf. »Ich habe dich noch nie in Rot gesehen. «
    »Logan hat mich gebeten, heute Abend ein rotes Kleid zu tragen. «
    »Tatsächlich? Warum denn? «
    »Wahrscheinlich wollte er spielerisch sein«, erwiderte Leigh verschmitzt, aber dann huschte ein unsicheres Lächeln über ihr Gesicht. »Sehe ich denn gut aus? «
    Jason musterte eingehend ihre glänzenden, schulterlangen haselnussbraunen Haare, ihre großen aquamarinblauen Augen und die hohen Wangenknochen; dann wanderte sein Blick zu ihrer schmalen Taille und ihren langen Beinen. Sie war hübsch, aber sicher nicht umwerfend, noch nicht einmal schön, stellte er fest. Und doch hätte Leigh Kendall in einem Raum voller wunderschöner Frauen sofort alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wenn sie sich bewegte oder sprach. In ihren Versuchen, ihre kraftvolle Präsenz auf der Bühne zu definieren, hatten Kritiker sie mit der jungen Katherine Hepburn oder einer jungen Ethel Barrymore verglichen, aber Jason wusste, dass das nicht stimmte. Auf der Bühne besaß sie zwar das unvergleichliche Leuchten der Hepburn und die legendäre Tiefe der Barrymore, aber sie hatte auch noch etwas anderes, etwas viel Reizvolleres und Einzigartiges - ein fast hypnotisches Charisma, das sie auch ausstrahlte, wenn sie nur in ihrer Garderobe stand und seine Meinung über ihr Aussehen hören wollte. Sie war die ausgeglichenste, kooperativste Schauspielerin, die er jemals kennen gelernt hatte, und doch umgab sie ein Geheimnis, eine Barriere, die niemand durchdringen durfte. Sie nahm ihre Arbeit ernst, aber sie nahm sich selbst nicht ernst, und manchmal kam er sich angesichts ihrer Demut und ihrem  Sinn für Humor vor wie ein maßloser, launischer Egozentriker.
    »Ich habe langsam das Gefühl, ich hätte besser Jeans und Sweatshirt angezogen«, scherzte sie, um ihn daran zu erinnern, dass sie ihn um seine Meinung gebeten hatte.
    »Okay«, erwiderte Jason, »hier ist die ungeschminkte Wahrheit: Du bist zwar nicht annähernd so umwerfend wie dein Mann, aber für eine Frau bist du bemerkenswert attraktiv. «
    »Falls das ein großes Kompliment sein sollte«, erwiderte Leigh lachend, während sie die Schranktür öffnete und ihren Mantel herausholte, »vielen Dank! «
    Aufrichtig verblüfft blickte Jason sie an. »Aber natürlich war das ein Kompliment, Leigh. Ich wundere mich allerdings darüber, warum du dir gerade jetzt Gedanken über dein Aussehen machst, schließlich hast du vor einer Stunde vierhundert Leute davon überzeugt, dass du eine blinde Dreißigjährige bist, die ohne ihr Wissen den Schlüssel zur Lösung eines schrecklichen Mordes in der Hand hält. « Verwirrt hob Jason die Hände. »Mein Gott, warum verschwendet eine Frau, die so etwas kann, auch nur einen Gedanken daran, wie sie in einem

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