Ganz oder Kowalski
Mittwoch muss ich arbeiten. Und Sean natürlich auch.“
„Ich wusste, dass du in dieser Jahreszeit viel zu tun hast, also habe ich nicht damit gerechnet, dass du ständig Zeit haben würdest. Ich werde wahrscheinlich in den Ort fahren und mich mit ein paar alten Freunden treffen.“
Emma lächelte, spürte aber auch, wie nervös sie wurde. Der nächste Ort, in den sie immer gefahren waren und in dem Emma auch zur Schule gegangen war, war nicht klein, jedoch auch nicht gerade eine Großstadt. Da sie wusste, dass Gram Kontakt zu ihren alten Freunden hielt, hatte sie ihnen weisgemacht, sie wäre verlobt. Ihre eigenen Freunde kannten selbstverständlich die Wahrheit, doch alle Leute aus Grams Freundeskreis waren davon überzeugt, dass Emma liiert war, auch wenn sie den Glücklichen noch nie zu Gesicht bekommen hatten.
Es war ein regelrechter Balanceakt gewesen. Sie hatte den Leuten erzählt, dass Sean in die Stadt gefahren wäre, wo auch seine Familie lebte. Oder sie hatte behauptet, dass die Leute ihn knapp verpasst hätten. Oder dass er zu Besuch nach Maine zurückkehrt wäre, dass ihre Arbeit sie jedoch daran gehindert hätte, ihn zu begleiten.
Sie konnte nur hoffen, dass das Fundament ihrer Geschichte unter Grams prüfendem Blick nicht in sich zusammenbrach.
„Irgendetwas duftet hier ganz fantastisch“, bemerkte Sean, als er in die Küche kam. Und wie jeder gute Verlobte schlang er einen Arm um Emmas Taille und beugte sich zu ihr hinunter, um ihr schnell einen Gutenmorgenkuss auf die Lippen zu hauchen. Er roch nach Shampoo, Rasierschaum und Zahnpasta.
Es war schon fast passiert, als sie seine Absicht durchschaute, aber es gelang ihr, nicht zurückzuzucken wie eine … Wie hatte er es noch genannt? Wie eine Jungfrau auf einer Studentenparty?
„Du kannst dich auf eine wahre Gaumenfreude gefasst machen“, sagte sie, und ihre Stimme klang angesichts seiner Nähe überraschend normal. „Grams Rühreier sind unglaublich köstlich.“
„Also, wie sieht der Plan für heute aus?“, fragte Gram, während sie die Eier und den Bacon auftischte.
„Wir machen, was dir gefällt.“ Emma reichte Sean seinen Kaffeebecher.
„Wir sollten einen neuen Grill kaufen“, entgegnete Gram. „Und ich sehe mal, ob man hier anständigen Lachs bekommt.“
Emma nickte. Zumindest reichte es, in den Ort zu fahren, um einen Grill zu erstehen, und nicht in die Stadt. Einen Schritt nach dem anderen. Einen Tag nach dem anderen. Und … einen Kuss nach dem anderen. So würden sie den Monat ganz sicher überstehen.
6. KAPITEL
Sean bekam die Vorladung zum Gespräch, vor der er sich so gefürchtet hatte, in Form einer Nachricht auf seiner Mailbox. Da sie gerade dabei gewesen waren, den neuen Grill vom Truck zu hieven, als es geklingelt hatte, hatte er nicht ans Handy gehen können.
„Sean, hier spricht deine Tante Mary.“ Als hätte jemals eine andere Frau ihm gegenüber einen solchen Ton angeschlagen. „Ich weiß nicht, was für ein Spiel du da spielst, aber ich möchte dich sehen. Heute noch. Allein. Und zwing mich nicht, dich zu holen, junger Mann.“
Er steckte wirklich in Schwierigkeiten. Und es war seine eigene verdammte Schuld, denn er hätte wissen müssen, dass seine Cousins nicht den Mund halten würden. Das hatten sie noch nie getan. Vor allem Mikey nicht. Schließlich war er schon als Kind die große Petze gewesen.
Nachdem Sean Emma und Cat die Geschichte aufgetischt hatte, dass er seinem Onkel versprochen hätte, ihm beim Ölwechsel bei seinem Aufsitzmäher zur Hand zu gehen, machte er sich auf den Weg zum Haus seines Onkels und seiner Tante. Er kam sich vor wie ein Krimineller, der vor Gericht geführt wurde, um seinem Richter gegenüberzutreten. Seine „Richterin“ würde ihn jedoch mit Küchenutensilien verprügeln, falls ihr seine Antworten nicht gefielen.
Da er ohnehin schon müde und erschöpft war, war eine Auseinandersetzung mit seiner Tante das Letzte, was er im Augenblick gebrauchen konnte. Die Uhr auf Emmas Nachttischchen hatte ein Uhr morgens angezeigt, als ein Geräusch ihn geweckt hatte. Ein schläfriges, sexy und definitiv weibliches Seufzen war ganz bestimmt nicht der schlechteste Weckruf. Doch wenn besagte Frau nicht weit entfernt auf der Couch lag – allein –, sah die Sache anders aus.
Nach diesem einen Seufzer hatte Stille geherrscht, aber sein Körper hatte keine Ruhe gegeben. Das Ergebnis war, dass er die ganze Nacht lang immer wieder aufgeschreckt war und schließlich auf der anderen
Weitere Kostenlose Bücher