Ganz oder Kowalski
der von seiner Tante wahrscheinlich ordentlich zurechtgestutzt worden war und nun gemütlich mit zwei Frauen zusammensaß, die er kaum kannte. Sie dagegen fühlte sich, als würde sie gerade einen körperlichen Entzug machen. Nervös. Schreckhaft. Völlig verkrampft.
Plötzlich stand Sean auf und begann, das schmutzige Geschirr zu stapeln. Abwehrend hob er die Hand, als Emma sich ebenfalls erheben wollte. „Ihr beide bleibt sitzen und seht zu. Ich werde hier schnell Klarschiff machen.“
Sobald er im Haus verschwunden war, lächelte Gram und zog die Augenbrauen hoch. „Er spült auch ab? Kein Wunder, dass du ihn dir geschnappt hast.“
Das reizte Emma nun doch, auf einige seiner weniger schönen Eigenschaften hinzuweisen – wie zum Beispiel, dass er ein sexistischer Chauvi war, der sie nicht ans Steuer ließ. Aber er leistete gute Arbeit, um Gram davon zu überzeugen, dass er Emmas Märchenprinz war. Und darum ging es schließlich. Also verkniff sie sich ihren Missmut darüber, dass Sean den Heiligen spielte. „Er passt gut auf seine Mitmenschen auf.“
„Irgendetwas belastet dich doch. Erzähl mir, was es ist, dann geht es dir besser.“
Emma bezweifelte das. Sie gab sich Mühe, sich zu entspannen. „Es ist nichts. Nur die Arbeit.“
„Wirklich, Emma. Es macht mir nichts aus, wenn du und Sean morgen arbeiten müsst. Ich weiß, dass du viel um die Ohren hast. Und ich bin stolz darauf, dass dein Geschäft so gut läuft.“
„Es läuft wirklich gut.„ Emma warf ihrer Großmutter ein ehrliches Lächeln zu. “Die Leute, die hier den Sommer verbringen, geben gern mit meiner Arbeit an, und dann wollen auch andere Sommergäste meine Dienste in Anspruch nehmen.“
„Das ist toll, meine Liebe.“ Gram nahm einen Schluck von ihrem Eistee und stellte das Glas dann auf den Gartentisch. „Aber ich möchte mehr über Sean hören.“
„Äh … Was denn genau?“ Sie wusste immerhin, dass er keinen Broccoli und keine Erbsen mochte.
„Ach, ich weiß nicht. Wie gefällt es ihm, für dich zu arbeiten? Da dir die Firma gehört … wird er zu Hause bleiben, wenn ihr einmal Kinder habt?“
Emma war sich ziemlich sicher, dass Seans Traumfrau etwa folgendermaßen aussah: schwanger und barfuß in der Küche stehend, in einem Arm ein Baby haltend und in dem anderen einen Wäschekorb. Doch den Kommentar verkniff sie sich. „Er arbeitet erst mal nur vorübergehend bei mir, weil er sich noch nicht sicher ist, was er machen will. Und die Sache mit den Kindern und der Betreuung überlegen wir uns, wenn es so weit ist.“
Mit anderen Worten: Sie hatte keine Ahnung. Aber sie hoffte, dass Gram nicht dahinterkam. Wenn sie vage genug blieb, würden Seans Angaben ihren nicht widersprechen. Sie nippte an ihrem Eistee und konzentrierte sich darauf, nicht zu gestresst zu wirken.
Gram streckte den Arm aus und tätschelte ihre Hand. „Bist du glücklich?“
Und da war sie – die Millionen-Dollar-Frage. Alles, was sie und Sean gerade durchmachten, ertrugen sie, um Gram davon zu überzeugen, dass die Antwort auf diese Frage ein donnerndes Ja! war.
„Ich bin glücklich, Gram. Das bin ich wirklich. Meine Firma wächst und gedeiht, und ich … habe Sean. Und obwohl ich dich vermisse, möchte ich gern sicher sein, dass du dein Leben in Florida mit deinen Freunden genießt.“
„Du solltest uns sehen. Die warme Sonne wirkt wahre Wunder, was den Körper betrifft, und wir fühlen uns alle mindestens zehn Jahre jünger. Du solltest Martha beim Line Dance erleben! Die Frau schwingt die Hüften wie eine Zwanzigjährige.“
Emma lachte und versuchte, sich Martha, die man nur als korpulent bezeichnen konnte, beim Tanzen vorzustellen. „Mir haben die Bilder gefallen, auf denen du mit den Delfinen schwimmst.“
„Das war großartig! Du würdest nicht glauben, wie friedlich die Tiere sind.“ Und während Gram ihr die ganze Geschichte erzählte, spürte Emma, wie ihre Anspannung allmählich nachließ.
Irgendwann kam Sean zu ihnen und brachte eine Kanne mit frischem Eistee mit. Sie setzten sich zusammen auf die Veranda und lauschten bis tief in die Nacht Grams Erzählungen, wie die alten Leute das Leben in Florida genossen. Und nachdem Gram schließlich ins Bett gegangen war, saßen Emma und Sean sich am Gartentisch gegenüber.
„Ich mag Cat“, sagte er, als ihre Großmutter außer Hörweite war. „Das hier fällt mir nicht halb so schwer, wie ich geglaubt hätte.“
„Es läuft besser, als ich dachte“, stimmte sie zu. „Ich
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