Ganz oder Kowalski
anzublicken.
Er hätte nicht verschwinden sollen, denn jetzt würde der Vorfall im Bad zwischen ihnen stehen, bis Emma das Bedürfnis verspürte, mit ihm darüber zu sprechen. Er hätte es lachend als „Morgenlatte“ abtun und klarstellen können, dass die unübersehbare Beule nichts mit ihr zu tun gehabt hatte. Das wäre selbstverständlich eine Lüge gewesen. Er war schon einige Stunden auf den Beinen gewesen, und es hatte eindeutig etwas mit ihr zu tun gehabt. Doch sie hätte ihm die Geschichte wahrscheinlich abgenommen und nicht weiter darüber gesprochen.
Die Küche, die er mit den beiden nahezu unbekannten Frauen und diesem riesigen Problem zwischen ihnen dreien teilen musste, kam ihm plötzlich unglaublich beengt vor. Also nahm er seinen Kaffeebecher und murmelte etwas davon, sich die Morgennachrichten ansehen zu wollen. Im Wohnzimmer schaltete er den Fernseher ein und ließ sich erleichtert seufzend auf die Couch sinken. Es würde ein paar Minuten dauern, die armen Ritter zu backen, also hatte er ein wenig Zeit, in der er sich nicht zu verstellen brauchte.
„Kann ich dich kurz sprechen?“ Es war Emma, die ihn ansprach – und vorbei war es mit der Normalität.
Wieder seufzte er und rutschte auf dem Sofa zur Seite. „Tu, was du nicht lassen kannst.“
Sie nahm weit genug von ihm entfernt Platz, sodass sie sich nicht berührten. „Ich verstehe dieses Männerding. Morgen… Du weißt schon. Und ich will nicht, dass es irgendwie peinlich wird.“
„Kein Problem.“
„Okay.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und legte anschließend beide Hände um den Becher. „Wir werden wahrscheinlich noch mehr Momente wie diesen hier erleben, wenn wir einen Monat lang zusammenwohnen. Vermutlich wird es das Beste sein, das alles mit Humor zu sehen.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er sie an. „Tja, andererseits … Wenn ein Typ vor dir steht, der eindeutig erregt und mit nichts anderem als einem Handtuch bekleidet ist, ist es vermutlich nicht die beste Idee, laut loszulachen.“
„Stimmt auch wieder.“ Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, und sie lächelte. „Wenn das hier ein Film wäre, dann wäre das Handtuch wahrscheinlich runtergefallen. Es hätte schlimmer kommen können.“
„Bei meinem Glück wundert es mich, dass es nicht passiert ist.“
„Frühstück“, rief Cat aus der Küche. Sie standen beide auf, und Sean hoffte, dass es das letzte Mal gewesen war, dass sie über seine Erektion hatten sprechen müssen.
„Iss dich anständig satt“, sagte Emma zu ihm, als sie in die Küche gingen. „Wir pflanzen heute Bäume, und das wird richtig anstrengend.“
Körperliche Erschöpfung? Darauf freute er sich schon. Sehr sogar.
8. KAPITEL
Emma wollte nicht, dass ihre Großmutter je wieder abreiste. Gram hatte Hühnchenbrust in Streifen geschnitten, die Stücke anschließend in einer würzigen Kräutersoße mariniert und dann auf Holzstäbchen gespießt. Das Ganze war schließlich für ein paar Minuten auf den Grill gekommen. Als Emma davon kostete, hatte sie das Gefühl, auf Wolke sieben zu schweben.
Das kann doch nicht so schwer sein, dachte sie. Als sie das letzte Mal versucht hatte, etwas Einfaches wie Burger auf einem Grill zuzubereiten, waren Flammen emporgeschossen. Am Ende hatte sie verkohlte, innen jedoch noch immer rohe Fleischklumpen serviert, die nicht einmal ihr Großvater hatte hinunterwürgen können. Aber das hier war Hühnchen am Spieß. Wie schwierig konnte das sein?
„Das ist köstlich, Cat“, sagte Sean und leckte sich die Finger ab. Emma sah es und verspürte ein Kribbeln auf der Haut. „Tante Mary macht so etwas Ähnliches, doch die Gewürze sind viel milder und hauen nicht so rein.“
„Ich kann es kaum erwarten, sie am Samstag kennenzulernen. Nach allem, was Sie so erzählt haben, ist sie eine tolle Frau.“
Abrupt hörte Emmas Haut auf zu kribbeln. Emma nahm sich noch einen Spieß. Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie stressig der Samstag werden würde. Jeder würde ganz genau darauf achten müssen, was er sagte. Und ungeachtet dessen, was Sean ihr gegenüber beteuert hatte, war sie sich nicht sicher, ob Mrs Kowalski sie am Ende tatsächlich decken würde.
„Sie freut sich auch darauf, Sie kennenzulernen“, erwiderte er. „Und Emma war so beschäftigt, dass meine Familie sie eine ganze Zeit lang nicht gesehen hat.“
Nein, Emma freute sich nicht darauf, die Kowalski-Familie am Samstag zu sehen. Lisa, ja. Aber es würde schwer
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