Ganz oder Kowalski
„Ja. Erzähl es nur niemandem.“
Während Emma den Salat zupfte, beobachtete sie durchs Fenster, wie Sean die Schweinesteaks auf dem Grill wendete. Ihre Großmutter schnitt die Tomaten, was wahrscheinlich eine gute Idee war, da Emma kein Messer benutzen sollte, während sie gleichzeitig Sean beim Grillen zusah.
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn Sean und ich am Samstag für ein paar Stunden weg wären, Gram?“
„Natürlich nicht.“
„Ein paar Kowalskis wollen zum Quadfahren, und Kevin hat uns eingeladen mitzukommen. Aber wenn du den Tag mit uns verbringen möchtest, kann ich … können wir auch ein andermal fahren.“
„Ich habe auch schon Pläne für Samstag.“
Irgendetwas an Grams Tonfall ließ Emma aufhorchen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit von Sean, der gerade geschickt mit der Fleischgabel hantierte. „Ach, echt?“
„Russell führt mich zum Essen aus, und anschließend wollen wir zum Tanz in die Highschool. Es gibt einen Spendenball für die Aktion ‚Drogenfreier Abschluss‘.“
„Oh.“ Emma wurde bewusst, dass sie den Salat gerade atomisierte. Schnell warf sie die klitzekleinen Stückchen in eine Schüssel. „Das klingt doch nach einer Menge Spaß.“
„Ich muss dir nicht extra sagen, dass ein Date mit Russell nichts daran ändert, dass ich deinen Großvater noch immer sehr liebe und ihn jeden Tag vermisse, oder?“
„Nein.“ Emma nahm noch ein paar Salatblätter aus der Tüte, damit ihre Hände eine Beschäftigung hatten. „Vielleicht.“
„Das ist die Wahrheit. Niemand wird in meinem Herzen je den Platz von John Shaw einnehmen. Aber ich fühle mich manchmal einsam, und es ist schon so lange her, dass ich jemanden hatte, an dem ich unter der Bettdecke meine kalten Füße wärmen konnte.“
Emma wollte sich ihre Gram mit niemandem unter der Bettdecke vorstellen – auch nicht mit Russell Walker. „Vierzehn Jahre.“
Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass das nicht unbedingt stimmen musste. Dass ihr Großvater seit vierzehn Jahren tot war, bedeutete noch lange nicht, dass es auch schon vierzehn Jahre her war, dass ihre Großmutter zuletzt unter der Bettdecke ihre kalten Füße an jemandem gewärmt hatte. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf der Anrichte ab, legte das Kinn auf die Hände und hoffte, dass sie aufmerksam wirkte. Doch eigentlich wollte sie nur die Röte verbergen, die ihr in die Wangen gestiegen war.
„Aber es ist mehr als das“, fuhr Gram fort. „Wenn ich etwas Interessantes in der Zeitung lese, habe ich niemanden, dem ich es erzählen kann. Und wenn ich einen Krimi sehe, kann ich niemandem sagen, wen ich für den Täter halte.“
Es lag Emma auf der Zunge, Gram vorzuschlagen, sie solle einfach wieder hierherziehen, dann könnten sie gemeinsam die unerwarteten Wendungen in einer Handlung ergründen. Doch sie verkniff es sich. Nicht nur, weil Gram in Florida glücklich war, sondern auch, weil sie wusste, dass es nicht dasselbe wäre. Gram brauchte nicht nur irgendjemanden, mit dem sie sich unterhalten konnte. Sie wollte einen Partner, mit dem sie das Leben teilen konnte.
„Er scheint ein netter Mann zu sein“, sagte Emma. Sie wusste, dass es lahm klang, aber ihr fiel nichts Besseres ein.
„Das ist er, und ich genieße seine Gesellschaft.“
„Das ist schön, Gram.“ Sie meinte es ernst und hoffte, dass ihre Gram das auch spürte.
In diesem Moment kam Sean mit einem Teller mit Schweinesteaks in die Küche und blieb wie angewurzelt stehen – fast so, als hätte sein männliches Radarsystem gerade gepiepst und den Grad weiblicher Tragödie im Raum angezeigt. „Ist alles in Ordnung?“
„Na klar.“ Gram gab die klein geschnittenen Tomaten in die Salatschüssel. „Emma hat mir nur gerade gesagt, dass ihr Samstag Quad fahren wollt.“
„Nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, entgegnete er und stellte den Teller auf den Tisch.
„Natürlich nicht.“
„Gram geht mit Russell tanzen.“
„Oh.“ Fragend betrachtete er Emmas Gesicht, ehe er sich Gram zuwandte. „Er scheint ein netter Mann zu sein. Ich hoffe, Sie haben Spaß zusammen.“
„Ich war seit einer Ewigkeit nicht mehr tanzen, aber ich bin mir sicher, dass ich es genießen werde. Lasst uns essen, ehe das Fleisch kalt wird.“
„Sean und ich müssen morgen einen Kostenvoranschlag für einen Job abgeben, doch anschließend können wir nach Concord fahren und dir ein schickes Kleid kaufen, wenn du möchtest.“
Gram strahlte. „Das wäre schön. Ich
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