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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht erwähnen, aber ihre Liebe zu Kindern
desorientierte sie zusehends. Mit vierundfünfzig schaffte sie es, schwanger zu
werden (kein Mensch konnte sich vorstellen, wie) und wurde wieder zur
Beobachtung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo sie felsenfest glaubte,
sie würde im Kindbett sterben. Als das nicht geschah, wurde Pu eine aufopfernde
Mutter; außerdem setzte sie ihre Arbeit mit den Behinderten fort. Pu Percys
eigenes Kind, eine Tochter, für die die gewalttätige Vergangenheit ihrer Mutter
später im Leben ein schwerer Schock sein sollte, war zum Glück nicht behindert; sie hätte Garp übrigens an Cushie
erinnert.
    Pu Percy, sagten manche Leute,
wurde ein leuchtendes Beispiel für alle, die die Todesstrafe endgültig
abschaffen wollten: Ihre Rehabilitation war so beeindruckend. Nur nicht für
Helen und Duncan Garp, die sich bis ins Grab hinein wünschen sollten, Pu Percy
wäre in dem Moment gestorben, als sie im Ringerraum von Steering ihr letztes
»Sch’ei’e!« geschrien hatte.
    Eines Tagesstarb
Pu natürlich tatsächlich; sie erlag in Florida, wo
sie ihre Tochter besuchte, einem Schlaganfall. Für Helen war es ein gewisser
Trost, dass sie Pu Percy überlebt hatte.
    Der treue Whitcomb sollte Pu
Percy genau so beschreiben, wie Garp sie einst, nach seiner Flucht von der
ersten feministischen Beerdigung, beschrieben hatte. »Ein androgynes Scheusal«,
hatte Garp zu Rektor Bodger gesagt, »mit Frettchengesicht und völliger
Matschbirne von fast fünfzehn Jahren Windeltragen.«
    [812]  Die offizielle Biographie
Garps, die Donald Whitcomb Wahn und Leid: T.S. Garps Leben
und Werk betitelte, wurde von den Teilhabern John Wolfs, der das gute
Buch nicht mehr gedruckt erleben sollte, veröffentlicht. John Wolf hatte die
Entstehung des Buchs mit großer Sorgfalt begleitet, und er hatte vor seinem
vorzeitigen Ableben als Lektor für Whitcomb gearbeitet – und den größten Teil
des Manuskripts redigiert.
    John Wolf starb in relativ jungen
Jahren in New York an Lungenkrebs. Er war ein sorgsamer, gewissenhafter,
hilfsbereiter und sogar eleganter Mann – die meiste Zeit seines Lebens –, aber
seine tiefsitzende Rastlosigkeit und sein unverminderter Pessimismus ließen
sich nur betäuben und kaschieren, indem er seit seinem achtzehnten Lebensjahr
drei Schachteln filterlose Zigaretten am Tag rauchte. Wie viele vielbeschäftigte
Männer, die sonst Gelassenheit und Souveränität ausstrahlten, rauchte sich John
Wolf zu Tode.
    Der Dienst, den er Garp und Garps
Büchern erwies, ist unschätzbar. Obwohl er sich wahrscheinlich hin und wieder
für den Ruhm verantwortlich machte, der am Ende zu Garps gewaltsamem Tode
führte, war Wolf ein viel zu kultivierter Mann, um bei einer so engstirnigen
Betrachtungsweise zu verweilen. Mord war nach Wolfs Meinung »ein immer
beliebterer Amateursport unserer Zeit«; und »wahre politische Gläubige«, wie er
fast alle Leute nannte, waren schon immer die Erbfeinde des Künstlers – der,
wie arrogant auch immer, auf der Überlegenheit der persönlichen Vision bestand.
    Außerdem, das wusste Wolf, lag es
nicht nur daran, dass Pu Percy eine Ellen-Jamesianerin geworden war und auf [813]  Garps
Provokation reagiert hatte; ihr Groll reichte bis in ihre Kindheit zurück und
war möglicherweise durch die Politik verschärft worden, wurzelte aber so tief
wie ihr ausgedehntes Bedürfnis nach Windeln. Pu hatte sich in den Kopf gesetzt,
Garps und Cushies Spaß am Miteinander-Ficken hätte zu Cushies Tod geführt.
Zweifellos hatte er jedenfalls am Ende zu Garps Tod geführt.
    John Wolf, ein Profi in einer
Welt, die zu oft das Zeitgenössische anbetete, das sie selbst geschaffen hatte,
behauptete bis an sein Ende, auf kein Buch sei er so stolz wie auf die
Vater-und-Sohn-Ausgabe der Pension Grillparzer. Er
war natürlich auch stolz auf die frühen Romane Garps und bezeichnete Bensenhaver und wie er die Welt sah später als
»zwangsläufig – in Anbetracht der Gewalttätigkeit, der Garp ausgesetzt war«.
Aber es war Die Pension Grillparzer, die Wolf froh
machte – sie und das unvollendete Manuskript von Meines
Vaters Illusionen, das John Wolf liebevoll und traurig als »Garps
Heimkehr zu seiner richtigen Art zu schreiben« betrachtete. Er verbrachte Jahre
mit dem Lektorat der unordentlichen ersten Fassung des unvollendeten Romans;
und ebenso viele Jahre diskutierte er mit Helen und mit Donald Whitcomb über
dessen Vorzüge und seine Schwächen.
    »Erst nach meinem Tod«,
insistierte Helen.

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