Gartengeschichten
spannendes Thema: Was hat es mit den Paradiesen auf sich, die man sich mittels bestimmter Pflanzen schon auf Erden schaffen kann? Ein Weg zur Seligkeit oder in die Hölle? Trauben und Hopfen waren den Mönchen vertraut, Wermut, Kamille und Brechnuß halfen gegen die Folgen, ob aber Engelstrompete, die berühmte Datura, von der es Dutzende von Arten gibt, als Rauschmittel benutzt wurde, wage ich zu bezweifeln, obwohl ich in Klostergärten schon prachtvolle alte Exemplare gesehen habe. Über klösterlichen Hanfgebrauch ist mir, außer zur Herstellung von Stricken, nichts bekannt. Bei Jugendlichen ist die Datura mittlerweile gefährlich beliebt, als Tee, der leicht der letzte sein kann. Aber der Segen in Klostergärten überwog und überwiegt bei weitem die Gefahren, und es lohnt sich, die Autobahn zu verlassen, wenn irgendwo ein Kloster mit Garten anzuschauen ist.
In einem Garten, den der Greis Valerius mir geschenkt hatte , erzählt der heilige Augustinus, versammelte ich Brüder, die mir an guten Vorsätzen gleich waren, die nichts besaßen, wie ich nichts besaß, und die mich nachahmten – in einem Garten, der so zum Klostergarten, zum Lehrgarten wurde. Da schließt sich sachte der paradiesische Kreis, denn Augustinus tut nichts anderes, als uns die Fortsetzung der Tradition antiker Philosophengärten zu erzählen. Sie sind das unausgesprochene Vorbild für den hortus conclusus als Schutzraum, Schönheitsspender, Nahrungs- und Medizinlieferant. Im Orient scharten sich Mönche um bepflanzte Innenhöfe, und Buddha sammelte seine Gläubigen im Garten um sich. Alles Paradiesvorhöfe vor dem einen, dem ersten und letzten, dem endgültigen.
Klostergärten sind oft barock angelegt, mit verschiedenen, von niedrigen Buchshecken abgegrenzten Bereichen, friedliche und nützliche Warteräume. Paradiesisch zu sein ist nichtihre Aufgabe, eher, sich ohne Angst auf den Weg hinüber vorbereiten zu können und dabei Arbeit und Ruhe so im Gleichgewicht zu halten wie Schönheit und Nützlichkeit.
In mittelalterlichen und barocken Kräuterbüchern findet man immer wieder Versuche, Leben zusammenzufassen, Pflanze, Tier und Mensch – als hätten die Welterkunder damals dem Schöpfer voll Respekt und Wißbegier Vorschläge machen wollen, wie seine Geschöpfe miteinander zu versöhnen seien. Vielleicht hielten sie das für eine Möglichkeit, uns aufs Paradies vorzubereiten. Die Alraunen, die wundertätigen und mit Menschenstimmen ausgestatteten Wurzelwesen, sind das bekannteste Beispiel. Auch sie sind gut und böse zugleich, können reich, weise und glücklich machen, aber auch töten, und sie heißen Erdmännchen, Galgenmännlein, Wurzelknecht, Teufelsapfel, Pissedieb, Armesünderblume, Henkerswurzel, Hundsapfel und letztlich doch: Liebesapfel.
Im Anholter-Moyländer Kräuterbuch, entstanden um 1470, das in der Bibliothek von Schloß Anholt aufbewahrt wird, wachsen Pflanzen aus einem Elefanten, und daß es den Boramez gibt, aus dem ein Lamm wächst, es hat ein Fleischlein wie ein Krebs, das hat ein Farb wie ein Rubin oder roter Pfirsich und einen Geruch, der sich beides den Melonen oder Pomeranzen vergleicht , wußte schon Grimmelshausen.
In Thorbeckes magischem Kräutergarten ist ein Bild dieser wahrhaft paradiesischen Pflanze zu sehen, wie das Lamm Gottes wächst das Schäfchen als Blüte auf einem Stiel mit paarigen lanzettfömigen Blättern.
Eigentlich sehen Paradiesgärten aus wie unser Garten daheim, nur schöner natürlich. Nichts verwelkt oder stirbt in ihnen, aber alles kann seine Gestalt verwandeln, deswegen wird es dort nie langweilig. Bis alle Spielarten und Seinsformen des Lebens und der Liebe erkundet sind, dauert es eine Ewigkeit.
Die Gartengräfin
»Eine Laube statt der Bühne, / Sommersonne statt der Lampen. / Also spielen wir Theater, / Spielen unsre eignen Stücke«
Hugo von Hofmannsthal
Sie war ihr Garten, sie war ganz und gar ihr Garten, sie hatte sich ihn untertan gemacht und war ihm gleichzeitig verfallen. Alles wurde von ihr so lang bedacht, geplant, verworfen, verwirklicht, wieder verworfen, bis es ihrem Gartenbild entsprach. Manchmal war das komisch, zum Beispiel bei dem weißen Blumenstrom, den ihr eine berühmte Gartenarchitektin eingeredet hatte – ein breites, fünfzig Meter langes Riesenbeet, auf dem es weiß wogen sollte, allerlei Weiß, wegen des Wogens wahrscheinlich viel Gypsophylla, Schleierkraut. Als ich hinkam, um das Wogen anzuschauen, war es schon weg. Gypsophylla ist ein zickiges Zeug,
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