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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Laubengänge hinein, auch die Kuppel des Pavillons grünt. Aus den Wurzeln des Weinstocks wachsen Menschen, die ihrerseits das Gewölbe des Weinstocks tragen. Man muß an Arcimboldo denken, der Gemüse, Blumen und Früchte Gesichter bilden und so die Schöpfung auf skurrile Weise wieder eins werden ließ.
    Das Paradies, in Urlaubskatalogen aus einem blauen und einem gelben Streifen mit drei Palmen bestehend und so als Ikone längst durchgesetzt, sieht in der Kunst ganz anders aus. Enger und viel reicher zugleich. Besonders schön kann man das auf meinem Lieblingsbild sehen, dem Paradiesgärtlein eines unbekannten oberrheinischen Meisters aus demfünfzehnten Jahrhundert. Es zeigt, daß man für ein Paradies wenig Platz braucht. Das Bild ist sehr klein, in seinem umschlossenen Garten, dem hortus conclusus, halten sich Maria, Engel, das Jesuskind und Heilige auf, für einen so kleinen Garten ist das eine Menge, und es kommen noch Tiere und ein eher rätselhaftes Wesen dazu, das noch genauer anzuschauen sein wird. Sie scheinen einander nicht zu stören. In diesem himmlischen Garten blühen alle Jahreszeiten zugleich, die Mehlprimel neben der Madonnenlilie, die Erdbeere neben dem Maiglöckchen.
    Warum wird das Paradies so oft als Garten gedacht, nicht zum Beispiel als Wald oder als Dschungel? Warum wird es nicht als vollkommene Freiheit und Gelöstheit dargestellt, sondern immer als die mehr oder weniger übersichtliche Begrenztheit eines Gartens? In Wahrheit wollen Menschen vielleicht gar nicht, daß zwischen Ordnung und Chaos entschieden wird, sondern sie wollen bis zum Jüngsten Tag auf dem schönen schmalen Grat zwischen beidem verharren, und der wird nun mal von einem Garten am besten symbolisiert. Der Unterschied zwischen himmlischem und irdischem Garten ist vielleicht nur der, daß man nicht mehr um das Gleichgewicht zu kämpfen braucht, was der irdische Gärtner tagtäglich muß. Wer in der Wüste einen Garten anlegt, und da gibt es erstaunliche Beispiele, kämpft gegen die Leere. Überall anders muß man gegen das ungewollte Zuwuchern, die Attacken ungeliebter Feinde, die Verschlingung seiner Idee angehen.
    Noch einmal zum Frankfurter Paradiesgärtlein , das einem auf seinen paar Quadratzentimetern viel beibringen kann. Es zeigt nämlich symbolisch auch zwei Feinde, die sich innerhalb der seligen Mauern aufhalten. Der eine ist tot, er reckt seine vier Beinchen gen Himmel und ist ein kleiner Drache. Obwohl er bis in jede Schuppe wunderbar gemalt ist, mußman sehr nah ans Bild gehen, um ihn überhaupt sehen zu können. Am rechten unteren Rand hat er sein Ende gefunden und ist besiegt. Ihm schräg gegenüber aber, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, sitzt ein höchst lebendiger kleiner Böser fast auf dem Fuß eines Engels. Vielleicht soll das bedeuten, daß es im himmlischen Garten ohne einen Störenfried, eine winzige Bedrohung, zu langweilig wäre. Das kleine Teufelchen könnte aber auch nur eine Erinnerung an das Böse sein. Was wiederum heißen würde, daß der Garten Eden nicht erinnerungslos gedacht wird, trotz seiner durch die nebeneinander gedeihenden Pflanzen symbolisierten Zeitlosigkeit. Pflanzen, die nicht verwelken oder gar sterben, eßbar in alle Ewigkeit, Äpfel und Kirschen gleichzeitig. Ein himmlisches Schlaraffenland, in dem die Vögel allerdings nicht gebraten, sondern im Vollbesitz ihres Federkleides die Menschen erfreuen. Es sollen allein auf dem mittelalterlichen Bildchen zwölf Vogelarten sein. Weil sie kaum so groß wie ein Fingernagel sind, konnte ich nicht genau nachzählen.
    Im biblischen Garten Eden war eigentlich nur ein Mensch nötig, der zweite sorgte bald für das Ende der Seligkeit, aber Tiere mußten und müssen sein. Ein Garten ohne Tiere ist arm. Auf dem Wetzlarer Teppich tummeln sie sich, und im Paradiesgärtlein symbolisieren sie das Himmlische und das Teuflische. Das tun sie in unseren vorläufigen und höchst unvollkommenen Paradiesen auf Erden ebenso, Schmetterling und Schnecke, Eichhörnchen und Marder, Igel und Karnickel, Marienkäfer und Lilienhähnchen, Meise und Elster, lauter Gut-Böse-Paare, aber hübsch sind sie allesamt. Im himmlischen Garten müssen sie miteinander auskommen, nicht nur das Lamm mit dem Löwen. Natürlich alle als Vegetarier, was für die Blumen nichts Gutes bedeutet.
    Paradiese sind Moden unterworfen, jedenfalls gilt das für dieVersuche, irdische zu erschaffen. Der Streit zwischen formalen und natürlichen Gartenkonzeptionen wurde vor allem im

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