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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Einleitung
    Ich bin einer der zweihundertsiebenundzwanzig Menschen, die die Erde verließen, um sich auf eine Reise über die Grenzen unseres Planetensystems hinaus zu begeben. Wir erreichten das Ziel, das wir uns gesteckt hatten. Nun, zehn Jahre nach Antritt unserer Reise ins Weltall, beginnt der Rückflug.
    Unsere Rakete fliegt mit einer Geschwindigkeit, die mehr als die Hälfte der Lichtgeschwindigkeit beträgt. Trotzdem werden Jahre vergehen, bevor in dem Dunkel ringsum die Erde, die jetzt nicht einmal durch die stärksten Teleskope wahrnehmbar ist, als glänzender Punkt unter den Sternen auftaucht.
    Wir bringen euch Erdenbewohnern die noch nicht gesichteten, noch nicht geordneten zahllosen neugewonnenen Erkenntnisse mit, die im mechanischen Gedächtnis unserer Automaten genau und zuverlässig aufbewahrt sind.
    Wir bringen euch wissenschaftliche Werke von unermeßlich großer Bedeutung, die während des Fluges entstanden sind. Sie eröffnen uns allen neue, unerwartete, unübersehbare Forschungsgebiete in den Tiefen des Weltalls.
    Auf dieser Reise fanden und erkannten wir aber etwas viel Schwierigeres und Schöneres, als wissenschaftliche Entdeckungen und Geheimnisse der Materie je sein können, etwas, was keine Theorie erfassen und selbst der vollkommenste Automat nicht vermerken kann…
    Ich bin allein. Die Kabine liegt im Halbdunkel; kaum vermag ich die Konturen der Einrichtungsgegenstände und des kleinen Apparates zu erkennen, der vor mir steht. In diesem Apparat vibriert der Kristallsplitter, der meine Stimme festhält. Bevor ich zu sprechen begann, schloß ich die Augen, denn ich wollte euch näher sein. Ich vernahm eine Zeitlang nichts als die grenzenlose, dunkle Stille. Ich will mich bemühen, euch zu berichten, wie es uns gelang, sie zu überwinden. Es wird die Geschichte der Zeit sein, in der wir uns viele Lichtjahre weit von der Erde entfernten und ihr doch immer näher kamen, der Zeit, in der wir ankämpften gegen eine Furcht, grauenhafter als alle Furcht, die durch Gebilde der Materie erzeugt wird, gegen das Entsetzen vor der Leere, die in den Abgründen des Raumes jede Sonne wie einen Funken auslöscht und selbst das Riesenhafte vernichtet.
    Ich will versuchen, zu schildern, wie im Laufe der Wochen, Monate und Jahre unsere treuesten, unsere tiefsten und ureigenen Erinnerungen immer schwächer wurden, bis sie machtlos waren gegenüber der schwarzen Unendlichkeit; wie wir auf der Jagd nach einer Stütze verzweifelt nach immer neuen Bestätigungen und Ideen griffen; wie all das, was auf der Erde unerschütterliche Rechtfertigung der Notwendigkeit dieser Reise gewesen war, beiseite trat, sich entfernte, zerfiel; wie wir auf der Suche nach ihrem letzten Sinn in vergangene Epochen hinabstiegen und erst dort, auf dem blutigen Wege der Menschheit zu uns selbst und unserer Gegenwart, zwischen Abgründen der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft schwebend, so stark und mächtig wurden, daß wir den Siegen und den Niederlagen die Stirn bieten konnten.
    Damit ihr imstande seid, dies alles, wenn auch nur unvollständig, nur annähernd, zu verstehen, muß ich einen kleinen Teil der Last, die uns niederdrückte und zu zermalmen drohte, auf euch übertragen. Ihr müßt mit mir d,urch die Flut der Ereignisse, durch lange, von dem Dunkel der Leere erfüllte Jahre wandern, da wir im Innern unseres Raumschiffes nur das Entsetzlichste, das Fürchtbarste vernahmen – die unendliche, unfaßbare Stille des Weltalls, da wir Sonnen auf blitzen und verlöschen sahen, da wir schwarze und rote Himmel kennenlernten und das Heulen der zerrissenen Planetenatmosphären hinter den Stahlwänden hörten. Ihr müßt mich durch die Jahre begleiten, in denen wir auf bewohnte und tote Himmelskörper stießen und auf andere, auf denen das Leben erst im Entstehen begriffen war.
    An wen von euch soll ich mich mit meinem Bericht über unsere Schicksale, unser Leben und Sterben wenden?
    Ich wünschte, ihn vorerst meinen Nächsten, meiner Mutter, meinem Vater, den Gefährten meiner Jugend zuzueignen, allen jenen, mit denen mich die flüchtigsten und doch beständigsten Dinge verbinden: das Rauschen der Bäume und der Wasser, gemeinsame Träume, das Blau des Himmels, an dem der Wind hoch über unseren Köpfen weiße Wolken dahintreibt. Als ich aber begann, sie in mein Gedächtnis zurückzurufen, begriff ich, daß ich kein Recht dazu habe. Ich liebe sie nicht weniger, als dies früher der Fall gewesen ist, es fällt nur nur schwerer, das

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