Gast im Weltraum
geringschätzig von der Höhe seines achten Schuljahres auf mich herab. Ich war sechs Jahre alt und glühte vor Begierde nach Abenteuern. Den Palast der Kinder im nahen Meoria durfte ich allein nicht betreten, ich war noch zu klein. Deshalb mußte mein Bruder mich als Beschützer begleiten. Als Vierzehnjähriger betrachtete er die Märchenvorführungen mit entsprechend verächtlicher Herablassung und bemühte sich, mir dadurch zu imponieren, daß er mir gerade dann, wenn auf der Szene unerhörte Wunder geschahen, mit Gewalt ins Ohr flüsterte, wie es weiterging; denn er kannte ja längst den Inhalt all dieser Märchen.
Wenn ich in Meoria war, vermochte ich den Blick nicht von den Schaufenstern der automatischen Warenhäuser loszureißen. Am meisten aber zogen mich die Spielwarenlager und die Konditoreien an. Ich fragte einmal meine Mutter, ob ich all die verschiedenen Torten essen und die ausgestellten Wunder haben könne.
„Aber ja“, antwortete sie.
„Weshalb nimmst du dir denn nicht alles?“
Meine Mutter lachte und sagte, „alles“ brauche sie nicht. Das konnte ich nicht verstehen. „Wenn ich groß bin“, erklärte ich, „dann nehme ich mir sämtliche Spielsachen und Torten, und zu Hause fülle ich eine ganze Wanne voll Krem. Ich werde überhaupt alles haben.“
Nun, es war vor allen Dingen notwendig, groß zu werden. Ich bemühte mich also, den Prozeß des Wachsens zu beschleunigen. Deshalb ging ich, wenn nichts Besonderes in Aussicht war, sehr zeitig schlafen.
„Schämst du dich nicht, schlafen zu gehen, bevor es dunkel wird? So ein großer Junge!“ hielt mir meine Mutter vor.
Ich schwieg schlau. Ich wußte doch, daß die Zeit im Schlaf schneller vergeht als im Wachen!
In meinem achten Lebensjahr versuchte ich zum erstenmal, den Geschwistern meinen Willen aufzuzwingen. Es handelte sich um die Frage, wie der bevorstehende Geburtstag unseres Vaters gefeiert werden sollte.
Da ich aus dem Lesebuch einiges über die Satrapen des Altertums wußte, schlug ich vor, dem Vater einen Königspalast zu bauen. Ich wurde ausgelacht; deshalb beschloß ich, meinen Plan auf eigene Faust zu verwirklichen. Meine Mutter gab sich redliche Mühe, mir zu erklären, daß der Vater gar keinen Königspalast brauche.
„Er hat nicht an einen Palast gedacht, denn er hat keine Zeit“, erwiderte ich. „Er wird sich aber bestimmt freuen, wenn er einen bekommt.“
„Nicht doch! Ein Geschenk kann kein großer oder kleiner Gegenstand sein. Früher, in längst vergangenen Zeiten, schenkten die Menschen einander verschiedene Gegenstände, heute beschenkt man nur noch die Kinder, denn die Erwachsenen können alles haben, was sie sich wünschen.“
Ich war der Meinung, daß eine solche Differenzierung eine schwere Benachteiligung der Kinder bedeutete. Die Erwachsenen konnten alles haben – und wie endete mein Verlangen nach einem dritten Stück Torte beim Mittages sen? Ich überging dies indessen mit Stillschweigen, denn ich wollte nicht mit meiner Mutter streiten.
„Siehst du“, fuhr sie fort, „vorgestern ist im Garten der Hund auf deinen Knien eingeschlafen. Erinnerst du dich? Du hast deine Körperhaltung nicht verändert, obwohl sie dir unbequem war, obwohl es dich anstrengte, denn du wolltest den Hund nicht stören. Es bereitete dir Freude, das für den Hund zu tun, nicht wahr? Du solltest dem Vater etwas Ähnliches, etwas in der Art schenken; du wirst sehen, wie sehr er sich darüber freut.“
„Na ja“, entgegnete ich, „aber der Vater schläft doch nicht auf meinen Knien.“
„Das stimmt. Aber mußt du zum Beispiel gerade dann lärmen oder abends ein Feuerwerk vor seinen Fenstern abbrennen, wenn er liest?“
„Ich muß nicht unbedingt ein Feuerwerk abbrennen“, räumte ich ein, „doch das ist zuwenig.“ In Gedanken versunken, ging ich in den Garten. Der Plan mit dem Königspalast reifte in mir heran, gewann immer mehr Gestalt.
Wie in jedem Haus, so gab es auch bei uns viele Automaten. Sie besorgten das Aufräumen der Wohnung, verrichteten Küchen-, Garten- und andere produktive Arbeiten. Die Automaten, die den Garten in Ordnung hielten, Blumen, Bäume und Sträucher pflegten, hießen Monote. Monot der Erste war schon zu Großvaters Zeiten bei uns gewesen. So manches Mal trug er mich auf den Schultern, was unser Wolfshund Pluto nicht liebte. Hunde mögen im allgemeinen die Automaten nicht leiden. Die Großmutter erzählte mir, daß überhaupt alle niederen Geschöpfe vor den Automaten Angst haben,
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