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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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das war sie nicht.
    Entlang der Wände lagen Menschen in Etagenbetten. Sie trugen keine Helme und rührten sich nicht. Mit wild pochendem Herzen ging Aria weiter in den Raum hinein, sah die klaffenden Wunden und die feuchten Blutflecken, die die graue Kleidung dunkel färbten. Sie waren tot. Jeder Einzelne von ihnen.
    Plötzlich konnte sie dem Gestank all der Leichen, über die sie draußen hatte kriechen müssen und der nun in ihren Haaren hing, nicht mehr entrinnen. Bei jedem Atemzug nahm sie den Geruch des Todes wahr. Verzweifelt suchte sie nach Luminas Gesicht, ging von einer Reihe mit Feldbetten zur nächsten, von einem leblosen Körper zum nächsten. Überall erkannte sie Anzeichen brutaler Gewalt. Blaugelbe Prellungen, Schnittwunden, klaffende Fleischwunden. Bissspuren.
    Unwillkürlich stellte sie sich vor, was passiert war. So viele Menschen, und alle waren wie tollwütige Tiere aufeinander losgegangen. Genau wie Soren in Ag 6. Und ihre Mutter hatte dieser Situation nicht entkommen können.
    Wo war sie?
    Als Aria eine leise Stimme hörte, fuhr sie herum. Jemand kam näher. Aria zuckte zusammen und suchte nach einem Versteck, doch dann erkannte sie die Stimme und erstarrte. War das Dr. Ward? Luminas Kollege? Er betrat den Raum, schaute durch das Visier in ihre Richtung und blieb dann stehen. Hoffnung keimte in ihr auf. Er würde wissen, wo sie ihre Mutter finden konnte.
    »Dr. Ward?«, sagte sie.
    »Aria?« Einen Moment lang starrten sie einander an. »Was machst du hier?«, fragte er und beantwortete seine Frage selbst: »Du suchst deine Mutter.«
    »Sie müssen mir helfen, Dr. Ward. Ich muss sie finden.«
    Er kam auf sie zu und blickte sie dabei eindringlich an. »Sie ist hier«, sagte er. Das waren zwar die Worte, die sie hören wollte, aber sie klangen völlig falsch. »Komm mit.«
    Aria folgte ihm durch die Metallkorridore. Sie wusste, was nun kommen würde. Sie wusste, was er ihr sagen würde. Lumina war tot. Das hatte sie seiner Stimme angehört.
    Während sie ihm folgte, hatte sie das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihre Beine wurden schwer und träge. Das hier war nicht real. Das konnte nicht sein. Sie konnte nicht auch noch Lumina verlieren.
    Ward führte sie in einen kleinen, leeren Raum mit einer schweren Luftschleusentür, die sich zischend hinter ihnen beiden schloss. »Die Stürme haben uns aufgehalten«, sagte er. Ein Muskel neben seinem Smarteye zuckte. »Wir sind zu spät gekommen.«
    »Kann … kann ich sie sehen? Ich muss sie sehen.«
    Ward zögerte. »Ja. Warte hier.«
    Als er ging, taumelte Aria rückwärts. Ihr Helm krachte gegen die Wand, und sie selbst rutschte zu Boden. Ihre Muskeln zitterten. Tränen traten ihr in die Augen. Sie versuchte, sie wegzuwischen, doch ihre Hände klatschten gegen das Visier des Helms. Sie schniefte, und ihr Atem hallte laut in ihren Ohren wider.
    Kurz darauf glitt die Tür der Luftschleuse auf, und Ward schob eine fahrbare Krankentrage in den kleinen Raum. Da­rauf lag ein langer, schwarzer Sack aus dickem Kunststoff. »Ich warte draußen«, sagte er und ging.
    Aria richtete sich auf. Der Sack strahlte so viel Kälte aus, dass kleine Nebelfahnen von ihm aufstiegen. Sie öffnete den Verschluss an ihren Handschuhen und streifte sie ab. Dann nahm sie den Helm ab und ließ ihn auf den Boden poltern. Sie musste das hier tun. Sie musste sich vergewissern. Mit zitternden Fingern fummelte sie an dem Reißverschluss herum. Sie machte sich auf eine klaffende Wunde gefasst. Prellungen. Etwas Schlimmes, so wie das, was sie draußen gesehen hatte. Dann zog sie den Reißverschluss nach unten und legte das Gesicht ihrer Mutter frei.
    Eine grässliche Wunde sah Aria zwar nicht, doch die Blässe von Luminas Haut war fast noch schrecklicher – nahezu völlig weiß, mit tiefen, dunklen Ringen unter den Augen. Ihr Haar fiel ihr in wirren Locken über die geschlossenen Lider. Aria strich sie beiseite – eine solch unordentliche Frisur hätte Lumina niemals geduldet – und schnappte angesichts der Kälte, die von der Haut ihrer Mutter abstrahlte, bestürzt nach Luft.
    »Oh, Mom.«
    Tränen schossen ihr in die Augen, sickerten auch unter dem Rand des Smarteyes hervor und liefen ihr die Wangen hinab.
    Sie ließ ihre Hand auf Luminas Stirn ruhen, bis ihre Haut vor Kälte brannte. Sie hatte so viele Fragen. Warum hatte Lumina in Bezug auf Arias Vater gelogen? Wer war er? Wie hatte sie Aria verlassen und nach Bliss gehen können, wenn sie die Gefahr

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