Gebieter der Träume
kann man nichts tun. Es sei denn, man wendet sich direkt an Zeus, und dafür braucht man mehr göttliche Macht, als wir haben.«
Sie lächelte Geary an. »Aber jetzt haben wir einen ganz speziellen Gott, dem wir vielleicht helfen können.«
Sie hatte recht. Ehe sie einen Krieg anzettelten, mussten sie erst einmal eine Schlacht gewinnen, und Geary war bereit, es für Arik mit dem ganzen Olymp aufzunehmen. »Also los!«
Geary wusste nicht genau, was sie vom Olymp und den Göttern zu erwarten hatte. Sie hatte zwar ihr ganzes Leben damit zugebracht, ihrem Vater und ihrem Großvater zuzuhören, die ihr die Mythen über die Götter erzählt hatten. Aber das war alles Spekulation gewesen.
Nun war sie wirklich hier.
Und es war beängstigend zu wissen, dass die alten Sagen Wirklichkeit und die Dinge, die sie als selbstverständlich betrachtet hatte, keine Erfindung waren.
Genau wie es in den Sagen geschildert wurde, war der Olymp atemberaubend. Das Wetter war perfekt, nicht zu warm und nicht zu kalt. Es war wie ein Frühlingstag. Der Himmel war so blau, dass er in seinem überirdischen Farbton unwirklich schien, und die Berge, die sie umgaben, waren mit üppigem Grün bewachsen. Die Luft war frisch, und es lag ein süßer Geruch in ihr. So etwas hatte Geary noch nie erlebt.
Zum Träumen , anders konnte man das nicht nennen.
Aber was sie am meisten faszinierte, war, dass sie nach unten blicken konnte und dort unten die Welt in all ihrer Herrlichkeit liegen sah. Nur die dunstigen Wolken trennten die Götter von der Erde.
»Das ist unglaublich!«
Kat lächelte. »Ja, ich weiß.« Sie blickte sich voller Stolz um. »Ich bin hier aufgewachsen.«
Geary konnte sich nicht vorstellen, wie man eine solche Kindheit haben konnte. »Wirklich?«
»Ja.« Kat wies auf ein großes, rundes, goldenes Gebäude am Ende der Straße, die mit goldenen Steinen gepflastert war. »Das ist der Tempel der Artemis. Als ich klein war, habe ich mich manchmal davongeschlichen und bin dorthin gelaufen« – sie deutete auf einen anderen Tempel am gegenüberliegenden Ende der Straße – »zum Tempel der Athene. Da habe ich mit ihren Eulen gespielt.« Bei der Erinnerung daran lachte sie. »Das hat Artemis immer ganz verrückt gemacht.«
»Warum?«
»Sie befehden sich schon seit langer Zeit. Es geht um irgendeinen Unsinn, der sich vor Urzeiten zugetragen hat. Und Artemis wollte, dass ich mich von Athene so weit entfernt halte wie nur möglich.«
»Aber du konntest nicht widerstehen, was?«
Ihr Lächeln wurde immer breiter. »Eigentlich nicht. Laut Artemis habe ich es mir zur Lebensaufgabe gemacht, sie zu ärgern.«
Geary lachte, während sie sich umschaute. Sie sah drei Rehkitze, die vor ihnen über den Weg liefen und in den Wäldern verschwanden. Sie hätte schwören können, dort auch einen Moment lang einen Centauren gesehen zu haben. »Ich kann einfach nicht fassen, dass das hier real ist.«
»Das ist es aber, glaub mir. Auch wenn es manchmal ganz schön unheimlich sein kann.« Kat wies auf eine riesige Halle aus Gold und Elfenbein, die auf einer Hügelkuppe über ihnen aufragte. »Dort residiert Zeus mit Hera. Das ist die große Halle, wo sich alle versammeln – meistens, um zu sich zu zanken und Beschwerde zu führen.«
Die Halle war genauso prunkvoll wie der Rest der Umgebung. Es war wirklich so, als wandle man durch einen Traum. »Gehen wir dorthin?«
»Nein. Persephone mischt nicht in der großen Politik mit. Obwohl sie eine Tochter des Zeus ist, geht sie nur dorthin, wenn sie dazu aufgefordert wird. Ganz besonders, weil Hera sie nicht leiden kann, denn sie ist eine uneheliche Tochter von Zeus. Persephone tut ihr Möglichstes, sich aus den Geschäften dort herauszuhalten.« Kat zeigte auf ein anderes Gebäude weiter die Straße hinunter. »Wahrscheinlich ist sie im Tempel ihrer Mutter.«
Geary folgte Kat. Sie überquerten die Straße und wären beinahe von etwas überrannt worden, das Geary nur unscharf erkennen konnte.
»Hermes!«, rief Kat. »Pass auf, wo du hinläufst!«
»Hab keine Zeit …« Eine schwache Stimme klang zu ihnen zurück, während er schon fast außer Sicht war. Es erinnerte Geary auf merkwürdige Weise an die Kurzfilme mit dem Road Runner, dem Vogel, von dem man nichts sah als eine staubige Spur, wenn er weglief.
»Passiert das häufiger?«, fragte Kat.
»Ja, er hat es immer eilig. Man muss sehr aufpassen, sonst rennt er einen über den Haufen. Es ist so, als würde man von einem großen Lastwagen
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