Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)
sie so klein waren, dass sie in eine Streichholzschachtel passten, waren sie funktionsfähig und ließen sich mit Wasserdampf betreiben. Einige Modelle durfte Géza im Schaufenster des kleinen Gemischtwarenladens neben dem Bahnhof ausstellen. Dort fielen sie eines Tages dem ungarischen Stadtkommandanten auf. Der Offizier war ganz versessen auf diese fein gearbeiteten Stücke. Er sorgte dafür, dass Géza in der Stadt blieb, damit er weitere kleine Dampfmaschinen herstellen konnte. Zu seinem Schutz bekam er vom Stadtkommandanten eine gefälschte ärztliche Bescheinigung, die ihm eine Lungenkrankheit attestierte.
Nach der Angst in den ersten Kriegsjahren fassten die jüdischen Bewohner der Stadt in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 wieder Hoffnung. Viele glaubten, das Schlimmste sei überstanden. Die Auslandssendungen des britischen Senders BBC, die viele heimlich hörten, ließen auf ein baldiges Kriegsende hoffen. Im Januar 1943 schlug die Rote Armee in der Schlacht von Woronesch am Don die Honvéd-Armee. Ungarn verlor die Hälfte seines Russlandregiments. Auch die Leichen Tausender jüdischer Zwangsarbeiter blieben am Don in Eis und Schnee zurück. Im Juli stürzte das Mussolini-Regime in Italien, einige Wochen später unterschrieb Rom mit den Alliierten den Waffenstillstand. Durch den Wandel der internationalen Lage fühlte sich Budapest zu einem Seitenwechsel getrieben und strebte heimlich einen separaten Frieden mit den Westalliierten an.
Bis zur Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht lebten Eva und Géza wie die meisten der etwa 762.000 ungarischen Juden in einem trügerischen Gefühl von Sicherheit. Zwar hörten sie immer wieder beängstigende Nachrichten aus den von Deutschland besetzten Ländern über Juden, die «nach dem Osten» weggebracht worden sein sollten. Auch wuchsen die antisemitische Stimmung und Diskriminierung der Juden in Ungarn, das schon 1920 als erstes Land in Europa ein antijüdisches Gesetz im Hochschulwesen eingeführt hatte. Die nationalen jüdischen Repräsentanten verließen sich dennoch gutgläubig auf ihre enge Bindung an die herrschende konservativ-aristokratische Führungsschicht. Sie waren überzeugt, dass das, was sich in Polen, in der benachbarten Slowakei und in vielen anderen Ländern Europas ereignet hatte, in Ungarn niemals geschehen könnte. Der Zwangsarbeitsdienst, Einschränkungen im Alltag und Beruf wurden daher als vorübergehende Übel interpretiert, die man in Kauf nehmen müsse, um die deutschen Nationalsozialisten und die Faschisten im eigenen Land zu besänftigen. Das Wichtigste war, dass Deutschland auf die Juden im Land keinen Zugriff hatte, denn die Regierung von Ministerpräsident Miklós Kállay verweigerte mehrmals ihre Auslieferung. Ein Szenario, in dem Deutschland das Land seines wichtigen Alliierten besetzt und die Regierung beseitigt, hielt niemand von den führenden Vertretern des ungarischen Judentums für möglich.
Die Nachricht vom Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Budapest am 19. März 1944 versetzt daher nicht nur die jüdische Bevölkerung von Dunajská Streda in einen Schock. Überall ist davon die Rede, im Rundfunk, Zeitungen und auf der Straße. Was wird geschehen? Niemand weiß das, aber jeder spürt, dass man die künftigen Ereignisse nicht mehr selbst unter Kontrolle hat. Eva und Géza schmieden jetzt keine Zukunftspläne mehr. «Wir sprachen nur darüber, was noch kommen wird.» Das junge Paar ist verzweifelt, klammert sich aber an die Hoffnung, dass der Krieg bald vorüber sein könnte. Doch die Gefahr rückt immer näher. In Budapest installieren die deutschen Besatzer eine kooperationswillige Regierung unter dem faschistischen Ministerpräsidenten Döme Sztójay. Acht Einsatzkommandos von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst kommen mit der Wehrmacht ins Land. Das achte, etwa 100 Mann starke, leitet der Deportationsspezialist und Chef des Berliner Referats für Judenangelegenheiten, SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Obwohl viele nicht mehr an einen Sieg Deutschlands glauben, bereiten Eichmanns Männer energisch die Deportation der ungarischen Juden vor. «Jeder wollte mal in Budapest gewesen sein», sagte Eichmann während der Vernehmung vor seinem Prozess 1961 in Israel aus. Seine Männer hätten sich um den Einsatz in Ungarn «gerissen».
Die Maßnahmen zur Vorbereitung des Massenmordes an ungarischen Juden werden sofort in Gang gebracht. Am 30. März 1944 meldet der Stadtrundfunk in Dunajská Streda,
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