Geboren in Atlantis
Irgend etwas musste da anders gelaufen sein. Hoffentlich erfuhr Kara die Lösung. Als sie tief durchatmete, war ich mir sicher, dass sie etwas erfahren hatte. »Und?«
Sie drehte mir den Kopf zu. Ihr Gesicht zeigte einen ernsten Ausdruck, gleichzeitig einen nachdenklichen, als wäre sie dabei, das Gehörte zu verarbeiten.
»Es ist komplizierter, als ich dachte, John.«
»Verstehe ich nicht. Wollen die Schwarzen Priester uns denn vernichten?«
»Ich habe damit gerechnet.«
»Aber sie tun es nicht.«
»Es sieht so aus.«
»Da muss es Gründe geben…«
»Nicht so eilig, John, nicht so eilig. Natürlich gibt es Gründe, die aber nicht direkt etwas mit uns zu tun haben, sondern mit Vorgängen, die sich in deiner Heimatstadt abspielen. In London und in einem bestimmten Viertel.«
»Eastend!«
»Ja, du hast mir davon erzählt. Ein Schwarzer Priester hat den Weg dorthin gefunden, er hat sich aus dieser Gruppe gelöst und seinen Geist nach London geschickt, während die andere Form seines Körpers hier geblieben ist.«
»Welche Form? Meinst du etwa den Kraken?«
»Genau, ihn meine ich.«
Jetzt musste ich erst einmal Luft holen. »Meinst du, dass sich der Schwarze Priester geteilt hat?«
»So sieht es aus.«
»Freiwillig?«
»Das ist die Frage, John!«
»Die du beantworten kannst.«
Da lachte sie. »Möglich, obwohl es mir nicht in den Kopf will. Jedenfalls ist einer der Schwarzen Priester aus dieser Gruppe hervorgeholt worden.«
Ich staunte. »Das geht?«
»Wenn man in Atlantis geboren ist und trotzdem in einer anderen, in deiner oder unserer Welt lebt. Ich bin auch hier geboren und…«
»Ein Atlanter in London.«
»Kosmos!«
»Der Anführer!«
»Richtig.«
Allmählich blickte ich durch, auch wenn der Schleier für meinen Geschmack noch zu dicht über meinem Gesicht lag. »Kannst du mir das näher erklären?«
»Ich versuche es. Dieser Kosmos hat schon einmal gelebt, und zwar in Atlantis. Hier, in dieser Gegend, trieb er sich herum, da war er ein mächtiger Schwarzer Priester, der auch überlebte. Es mag dir komisch vorkommen, John, aber die Schwarzen Priester besitzen so etwas wie eine Seele, einen Geist. Und dieser Geist hat ebenfalls überlebt. Alles andere ist wohl recht einfach für uns.«
»Das denke ich auch«, flüsterte ich. »Er hat die Zeiten überdauert und sich einen neuen Körper gesucht.«
»Kosmos, den Schwarzen Priester, der in unserer Welt nur ein anderes Aussehen hat, aber von dem Geist des uralten Schwarzen Priesters übernommen wurde.«
»Dann ist der Krake unter uns als seine zweite Existenz zurückgeblieben.«
»Korrekt John, und nicht nur das. Es ist auch eine Art von Fluchtpunkt für ihn. Meiner Ansicht nach kann er immer wieder in den Körper des Kraken zurückkehren. Das ist die Magie bei dieser Sache, die Stärke und gleichzeitig die Schwäche.«
»Weshalb die Schwäche?«
Sie lächelte. »Wenn wir beide den Kraken vernichten, haben wir ihm seinen Rückkehrpunkt genommen. Dann ist er gezwungen, in London zu bleiben, als Kosmos und als Schwarzer Priester. Er kann nicht mehr zurück, ist Gefangener der Gegenwart und Zukunft zugleich. Es sind komplizierte Dinge, aber was ist schon einfach, wenn ich von Atlantis ausgehe? Nichts, John, überhaupt nichts.«
Ich runzelte die Stirn. »Ja, ich habe es begriffen, nur bin ich mir über die vier Schwarzen Priester hier noch nicht im klaren. Was haben sie vor? Werden sie versuchen, uns zu töten?«
»Ich glaube es nicht.«
»Das wundert mich.«
Kara stimmte mir zu. »Mich auch, aber du musst die Modalitäten sehen, John. Sie haben sich sehr stark verändert. Ich betrachte die Schwarzen Priester nicht unbedingt als Feinde, und sie stehen uns auch nicht so feindlich gegenüber. Die vier Gestalten sind sauer, dass es einen Abtrünnigen aus ihrer Gruppe gegeben hat. Dieser Abtrünnige kann nicht verlangen, dass ihm noch Schutz gewährt wird. Also werden sich die Schwarzen Priester neutral verhalten.«
»Und was machen wir?«
Kara deutete mit dem Daumen in die Tiefe. »Der Krake ist unser großes Hindernis. Erst wenn wir ihn überwunden haben, können wir uns um den zweiten Teil der Gestalt kümmern.«
»Ist er der einzige?«
»In diesem See ja.«
Mein Misstrauen war noch nicht verschwunden. »Die vier anderen werden nicht eingreifen.«
»Sie versprachen es. Sie haben ihren eigenen Kollegen ausgestoßen, so musst du das sehen. Sie werden sich zudem hüten, ihm einen Weg zur Rückkehr zu ebnen.«
Ich lächelte süß-sauer.
Weitere Kostenlose Bücher