Geboren in Atlantis
Davorstehenden nicht wider gab. Dafür ein anderes. Er zeigte eine Szene, die aus einem Fantasy-Film hätte stammen können. Sechs Personen spielten Hauptrollen. Vier Schwarze Priester auf der einen Seite, auf der anderen eine Frau und ein Mann. Kara und John Sinclair!
***
Sie standen da, wir standen da, und alles um uns herum schien aus Frost zu bestehen, der eiskalt durch die Kleidung drang und sich auf meine Haut legte.
Ich wusste nicht genau, wie Kara fühlte, aber ihr musste es ähnlich ergehen, denn ich hörte sie leise atmen, und ihre rechte Hand lag auf dem Griff des Schwertes, als wäre sie mit diesem Gegenstand verwachsen. Sie war bereit, die Waffe gegen die vier Schwarzen Priester zu ziehen. Aber sollten wir tatsächlich kämpfen?
Ich wusste, welche Schwierigkeiten Kara schon mit einem der Schwarzen Priester gehabt hatte. Seit ihrem ersten Kampf war viel Zeit vergangen, Kara war besser geworden, in zahlreichen Kämpfen hatte sie sich die nötige Erfahrung geholt, doch die Schwarzen Priester waren zu viert. In der Überzahl. Außerdem beherrschten sie dieses Stück Atlantis. Es stand unter ihrer Kontrolle, zugleich aber unter der Oberaufsicht des Schwarzen Tods, der es bestimmt nicht zulassen würde, dass die Schwarzen Priester vernichtet wurden.
Es geschah nichts zwischen uns. Die Luft stand wie Blei, das Atmen fiel mir schwer, und ich hätte diese Gestalten gern angesprochen, nur musste ich davon ausgehen, keine Antwort von ihnen zu bekommen. Es waren keine Menschen, für mich waren es nicht einmal Dämonen, sondern Existenzen, die man als Schattenwesen bezeichnen musste und die in das Reich des Spuks gehörten.
»Ich werde mit ihnen reden!« hörte ich Kara flüstern.
»Wie?«
Da lächelte sie und flüsterte: »Lass mich das mal machen, John, ich schaffe es.«
»Noch mal! Wie?«
»Telepathie, John. Ich schaffe es, mit meinen gedanklichen Fragen in ihre Aura einzudringen. Alles andere wird sich dann von selbst ergeben.«
»Das hoffe ich auch.«
Ich schaute mir die Schwarzen Priester noch einmal genau an. Einen stofflichen Körper konnte ich bei ihnen tatsächlich nicht entdecken, sie wirkten auf mich wie ein gezeichnetes Gebilde, wobei der Zeichner einfach nur eine Kutte mit einer hochgestellten Kapuze ausgefüllt hatte. In diesem Fall fühlte ich mich wie ein Statist, der den Schauspielern die Initiative überlassen musste.
Kara bewegte sich. Sie verkürzte die Distanz zwischen sich und den Schwarzen Priestern, um ihren möglichst kompakten Gedankengang an diese Gestalten heranzubringen.
Ich wartete ab.
Die schwarzen Gestalten hielten ihre Lichtschwerter in die Höhe. Sie endeten dort, wo sich eigentlich das Kinn befinden musste. In der Gesichtsmasse regte und rührte sich nichts. Sie blieb tatsächlich so glatt wie Beton.
Ich war gespannt, wie es weitergehen würde. Kara stand mit ihnen in Kommunikation, das war ihrer sehr gespannten Haltung durchaus anzusehen. Ich versuchte, an ihrem Gesicht abzulesen, was sie auf geistiger Ebene fragte, da jedoch tat sich nichts, die Züge blieben starr, wie eingefroren.
Manchmal bewegte sie die Lippen, ohne dass ich dabei einen Laut gehört hätte.
Wie viel Zeit verstrich, konnte ich nicht sagen. Dieser Begriff war in einer Welt wie Atlantis für mich verlorengegangen. Ich ließ Kara ›reden‹ und kümmerte mich um meine Umgebung. Dabei interessierte ich mich vor allen Dingen für den See unter meinen Füßen.
Noch immer hatte ich mich nicht daran gewöhnen können, in diesem Glaskäfig zu stehen. Ich schwebte praktisch in der Luft, spürte keinen richtigen Widerstand und sackte trotzdem nicht ab. Aber unter uns tat sich etwas. Da brodelte und kochte das Wasser, obwohl kein Laut an unsere Ohren drang. Eine nicht hörbare, gespenstische Szene lief dort ab, denn der Krake mit seinem roten Auge spielte irgendwo verrückt.
Die mächtigen, langen und starken Fangarme peitschten die Flut auf und schleuderten die schaumigen Wellen hoch, die wuchtig gegen die Ufer klatschten und so aussahen, als wollten sie an den Felswänden in die Höhe kriechen.
In der Körpermitte des Kraken glühte ein dicker, tiefroter Kreis, das Auge und die einzig verwundbare Stelle, wie ich selbst erlebt hatte, als es Kara in Südfrankreich gelang, den in einen Kraken verwandelten Schwarzen Priester zu töten.
Weshalb tobte der Krake im See, und weshalb standen wir den vier Schwarzen Priestern gegenüber, die auf mich plötzlich keinen so angriffslustigen Eindruck machten.
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