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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Watzlawick Paul
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dem Zoll und der Steuer. Er verrät sich daher mit Leichtigkeit durch sein Erbleichen, Stottern und Schwitzen, wenn ihm der Beamte die schicksalhafte Frage nach dem Gesamtwert seiner Mitbringsel stellt. Als Europäer sollten Sie keine Schwierigkeit haben, dem Adlerauge des Uniformierten standzuhalten, etwas gelangweilt zu antworten: »About eighty-five dollars«, und dann unaufgefordert alle Schlösser, Deckel und Reißverschlüsse Ihres Gepäcks zu öffnen, selbst wenn er Ihnen ob so offensichtlicher Ehrlichkeit in den Arm fallen sollte und nur Ihre Handtasche inspizieren will.
    Und nun erst, endlich, ist es soweit: Durch die letzte pneumatische Tür verlassen Sie die irreale, klimatisierte Welt des Ankunftsgebäudes und betreten das wirkliche Amerika – das heißt, nein, eigentlich nur einen breiten Gehsteig voll hastender, konfuser Menschen; eine Szene, die sich auch in nichts von jedem anderen Großflughafen irgendwo in der Welt unterscheidet. Hier gibt es noch keine Überraschungen, außer eventuell in bezug auf das Klima, in das Sie plötzlich eingetreten sind. New York und die anderen Städte der Ostküste können Sie von Mai bis Oktober mit einem Wetter (über 30 °C Wärme und 95 % Luftfeuchtigkeit) empfangen, dessen sich Bombay nicht zu schämen brauchte, während in San Francisco im Sommer meist ein kalter Wind durch die Straßen pfeift und graue Wolken knapp über den Dächern hängen. Im Winter dagegen herrscht in New York nicht selten das Klima von Nowosibirsk (obwohl die Stadt auf der Höhe von Neapel liegt), in San Francisco kann Sie dagegen Frühlingswetter erwarten. Wie dem auch sei: Amerika liegt noch vor Ihnen. Aber wo? 
     

Amerikas Alltäglichkeiten
    Ja, wo werden Sie den Vereinigten Staaten nun endlich begegnen?
    Fremdheit bedeutet Gegensatz zum Gewohnten. Daher erleben wir die Fremdheit eines Landes dort am eindrücklichsten, wo dessen Wirklichkeit, besonders seine Alltagswirklichkeit, von der unseren abweicht. Und wenn Sie es fertigbringen, dieses Anderssein vieler Dinge – von Alltäglichkeiten bis zur Weltanschauung – nicht als lächerlich oder gar ärgerlich zu empfinden, dann muß ich Ihnen gratulieren, denn dann sind Sie weiser als die meisten von uns. Aber wundern werden Sie sich trotzdem. 
    Warum, zum Beispiel, kennt das sonst so praktische Amerika nicht das 24-Stunden-System? Der Tag ist vielmehr in zwei Hälften geteilt, von denen die eine a.m. das heißt ante meridiem (in Flugplänen usw. oft auch nur a), genannt ist und sich folglich auf die zwölf Stunden von Mitternacht bis Mittag erstreckt; und p.m. (bzw. p, post meridiem) für die zweite Tageshälfte von Mittag bis Mitternacht. Wenn die Abflugszeit Ihrer Maschine also um 9.20 p.m. ist, so ist damit 21.20 Uhr gemeint – kommen Sie daher nicht gleich nach dem Frühstück zum Flugplatz. Komplizierter wird es, wenn etwas um 12.05 p.m. stattfindet, denn ganz unlogisch wäre es nicht, wenn Sie sich nun den Kopf darüber zerbrächen, ob das unserem 12.05 Uhr entspricht oder ob damit Mittag plus 12 Stunden und 5 Minuten, also fünf Minuten nach Mitternacht gemeint ist. Wahrscheinlich nicht, denn sonst müßte es ja 12.05 a. m. heißen. Aber auch das leuchtet nicht vollkommen ein, denn genaugenommen müßten doch sowohl die a. m. – wie die p. m.- Tageshälften mit null und nicht zwölf Uhr beginnen. Aber eben die Null-Uhr- Zeiten des 24-Stunden- Systems sind es, die dem Amerikaner seinerseits noch unfaßbarer als etwa der Begriff 15 Uhr sind. Bei der Mitternacht selbst wird es besonders dunkel: Ob sie dem Nachmittag (p. m.) des vorhergegangenen Tages oder dem Vormittag (a. m.) des folgenden zuzurechnen ist, scheint weitgehend Geschmackssache. Die einfachste Lösung ist es daher, Mittag wie Mitternacht tunlichst zu vermeiden. – In praktisch dem gesamten Staatsgebiet der USA (d. h. mit ganz wenigen Ausnahmen in einigen abgelegenen ländlichen Landesteilen) werden die Uhren am ersten Aprilsonntag eine Stunde vor- und am letzten Sonntag im Oktober wieder eine Stunde zurückgestellt. Es gilt also in diesen sieben Monaten die Sommerzeit, daylight saving time genannt. Die Gedächtnisregel für das Umstellen der Uhr ist: »Spring forward, fall [Herbst] back.« In Mitteleuropa dauert die Sommerzeit vom letzten Sonntagmorgen im März bis zum letzten Sonntagmorgen im September. Daraus ergeben sich im Laufe jedes Jahres verschiedene Zeitdifferenzen zwischen einer bestimmten Zeitzone in den USA und in Europa.

    Auch der amerikanische

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