Gebrauchsanweisung für die Welt
Schwindelsatz – ich wusste, dass er gebraucht würde – lag schon bereit: Es handelte sich um eine Sonderspende des Roten Kreuzes! Nur heute gültig! Diese Ausrede schien (gerade noch) akzeptabel und Nuria, die Frau, begann an ihrem Steinzeitofen mit der Zubereitung. Ich lüge mit Freuden, wenn es das Herz eines stolzen Afghanen beschwichtigt.
Es wurde ein feines Abendessen für uns dreizehn, mit dem Fleisch, dem Gemüse, der Nachspeise. Und dem gebackenen Brot der Mutter. Zehn Kilo Büchsen hatte ich mitgebracht und nicht ein Gramm blieb übrig. Nur die Kerze, sie flackerte noch immer.
Der Körper
Ohne Körper geht keiner auf Reisen. Für einen Reisenden ist er sein Ein und (fast) Alles. Vorbildlich wäre, wenn er, der Body, sich in Bombenform befände. Damit er es mit den Zumutungen des Weg und Davon aufnehmen kann: der Schlaflosigkeit, dem Jetlag, den Abgasschluchten, den fünfzehn Kilo Rückenlast, der Hitze, der Enge, der Kälte, der Nässe, den Läusen, dem Lärm, den fünf Millionen Viren, der Drangsal der Massen, den freien Radikalen, den Taschendieben, den Halsabschneidern, den Schafsköpfinnen und Schafsköpfen, dem Alleinsein, dem Paarsein, dem On-the-road-Sein, mit allem eben aufnimmt, was – einschüchtert. Wohl der Grund dafür, warum sich so viele als Gesamtpaket über einem Strand mit Hotelanschluss abwerfen lassen. Da lauern keine bösen Überraschungen. Aber auch keine bestechenden.
Die anderen aber, die Reisen als Betreten einer – für sie – neuen Welt begreifen, als ein unschlagbares Mittel, zumindest einen Teil vom abersinnigen Reichtum des Lebens zu erfahren, die sollten darauf achten, dass ihr Leib beweglich bleibt. Dass die vier Gliedmaßen funktionieren, sie rennen können (weg von beißenden Kötern), springen können (auf abfahrende Züge), ja, ihnen zusätzliche Muskeln zur Verfügung stehen (um als Gentleman Damen beim Verstauen des Gepäcks zu helfen). Biegsam sein, behände, reaktionsschnell, lauter Wunder, um deren Erhalt sich einer kümmern muss. Vor dem Losgehen. Damit er anschließend – on tour – das Glück begreift, über Reserven zu verfügen, von denen er bis zur Stunde nichts wusste.
Zuletzt: den Körper bisweilen erschöpfen, auch das ist Glück. Weil man ihm zuschauen darf, wie er einknickt, wie er den Kampf aufgibt. Das sind wundersame Übungen der Demut, der Dankbarkeit, der Einsicht in die eigene Verwundbarkeit. Kaum auszuhalten die Freude dann, wenn man – nach dem Absturz – wieder auftaucht, Stunden oder Tage später wieder einen Körper vorfindet, der stark ist, der einen nicht verlassen hat. Wie einen Freund nimmt man ihn in diesen Augenblicken wahr.
Three little storys. Die erste spielt in Äthiopien: sechzehn Kilometer Fußmarsch, rucksackbepackt, auf den Mount Ziqualla zu. Der nächtliche Regen hatte die Erde aufgeweicht, bei jedem Schritt hafteten dicke Klumpen an den Stiefeln. Man ging wie durch tiefen Pappschnee ohne Schneeschuhe. Am frühen Nachmittag begann der Aufstieg, 2989 Meter hoch. Infolge irriger Auskünfte nahm ich die falsche Route. Umkehren und neu anfangen. Ich rauchte, um die Fliegenpest zu vertreiben. Nach sechs Stunden – jede fünfzig Meter waren ein Triumph – landete ich oben. Ich halluzinierte und sah eine kleine verbuckelte Frau in weißen Kleidern. Ich zitterte und hörte mich flüstern: »Shai, shai.« Und die Bucklige lächelte und antwortete: »Yes, yes, shai, shai«, nahm mich bei der Hand und führte mich durch das Dorf zu ihrer Lehmhütte. Auf jede Tür war ein Kreuz gemalt. Nein, keine Schimäre jagte mich, hier lebte die uralte orthodoxe Kirchengemeinde, die ich besuchen wollte. Hier oben, dreitausend Meter näher dem Himmel, beteten und fasteten sie. Und retteten gerade einen Wildfremden. Sadal sperrte auf und zwei Mönche legten mich auf die einzige Holzpritsche, Feuer wurde gemacht, jemand suchte zwei Wolldecken für meinen jetzt schüttelfrostigen Körper, der Tee kochte irgendwann, einer reichte Bohnen und drei hart gekochte Eier. Als ich flachlag, zogen sie mir behutsam die Stiefel aus und Bruder Mariam wusch sanft die blasengeschundenen Füße. Er tat es so achtsam und mit so viel Leichtigkeit, dass ich es ohne Scham annehmen konnte. »No problem here«, zwitscherte er heiter, »everything happy.«
Schauplatz Asien. Ich fieberte in einem drittklassigen Hotelzimmer, in Indien. Rapider Herzschlag, Hitzewallungen, Gliederschmerzen, das Thermometer stieg auf 39,7°, ich dampfte. Zweimal schaute
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