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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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der Stadt. Ich vibrierte, vor Glück wohl.
    1 Seit die Biografie »Kapuscinski/Non-Fiction« erschienen ist, nach dem Tod des »Jahrhundertreporters« 2007, verehren wir ihn vielleicht ein bisschen weniger. Der »große Wahrheitssucher« hat, ziemlich häufig, die Wahrheit nicht gefunden und als Märchenonkel fungiert, ja, kam beim Buchschreiben oft ins Trudeln und Fabulieren. Die von seinem Biografen Artur Domoslawski vorgelegten Fakten waren nicht zu widerlegen, wurden – trotz heftigen Aufschreis in Kapuscinskis Heimatland – von einem polnischen (!) Gericht als korrekt anerkannt. Dass der Vielgepriesene lange Jahre mit dem »SB«, dem kommunistischen Geheimdienst, flirtete, lässt ahnen, dass der Titel »Moralist« – auch der schmückte unseren Mann in Warschau – nicht immer mit Moral zu tun haben muss.
    Ich notiere das alles ohne größere Erregung, will uns nur sacht daran erinnern, dass Schreiben ein zwiespältiges Geschäft ist und wohl am besten funktioniert, wenn wir Schriftsteller es stramm ablehnen, uns als moralische Anstalt aufzuführen. Wir würden uns nur verheben. Und penetrant langweilen.

Der Abschied
    Wer »Anfang« sagt, muss auch »Abschied« sagen. Weil einer schon verloren hat, wenn er von der Ewigkeit träumt. Ewig gibt’s nicht, es gibt nur Vergänglichkeit. Das allerdings ist eine ewige Wahrheit. Die einzige. Als ich als Junge bei einer Hochzeit zum ersten Mal den Satz »… bis dass der Tod euch scheidet!« hörte, bin ich erschrocken. Er hat nie, wie bei so vielen anderen, ein romantisches Sehnen in mir ausgelöst. Ich fand die Aussicht erschütternd. Später wurde mir klar, dass man niemandem einen unerträglicheren Spruch fürs Leben mitgeben kann als eine solche Aufforderung: ewig zusammenbleiben, nein, ewig zusammenbleiben müssen! In der spanischen Sprache findet sich ein hinreißendes Wortspiel: »esposar« bedeutet zum einen »heiraten«, zum anderen »Handschellen anlegen«. Schonungsloser kann man es nicht aufzeigen.
    Ja, immer ja: Zustände hören auf. Müssen aufhören. Weil die conditio humana so ist. So hat auch die Liebe ein Ende. Leider. Dramatisch freilich wird es erst, wenn die Beteiligten nicht darauf reagieren. Weil sie weiter per Handschellen aneinandergekettet sind. Statt sich mit Respekt und Umsicht um eine Trennung zu kümmern. Damit sich die Ex-Eheleute – und jetzt kommt wieder Leben ins Spiel – nach jemandem umsehen können, den sie lieben und begehren, ja, an den sie mit Freude denken können. Klar gibt es Auserwählte, die über Jahrzehnte hinweg die Wärme und Nähe zum anderen retten. Sie sind die Ausnahme, der Rest schleppt die Ehe wie eine Ruine mit sich herum. In einem John-Ford-Film hörte ich einmal den Helden sagen: »Forever is a hell of a long time.« Wobei mir das Wort hell das klügste schien. »Ewig« klingt höllisch.
    Was zum Teufel hat das alles mit dem Reisen zu tun? Ich gebe zu, der Zusammenhang funktioniert nicht schnurstracks, er geht um ein Eck. Aber dann ist er unübersehbar: Vor nicht langer Zeit begegnete ich wieder einmal dem Vertreter eines Stammes, der mich immer in Erstaunen versetzt: der Stamm der Ewig-Unterwegs. Ich habe Leute getroffen, deren Pass wie eine Ziehharmonika aussah, voll extra eingeklebter Seiten, zugestempelt von vorne bis hinten. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass sie zu den geistlosesten aller Reisenden gehören. Sie wollen – ich verallgemeinere, ich weiß – kein Bewusstsein erweitern, auch nicht das Herz. Sie wollen den Rekord. Meist sitzen sie in der weiten Fremde vor ihrem DVD-Player oder spielen Snooker, dabei stets, wenn irgendwie möglich, von ihren Landsleuten umgeben. Damit sie nicht in Versuchung kommen, eine neue Sprache zu lernen. Zur Not schaffen sie ein gehobenes Volkschulenglisch. Sie fühlen sich wie zu Hause, nur noch gemütlicher, denn hier scheint die Sonne.
    In den modernen Zeiten twittern diese Helden. In jedem dritten ihrer Tweets steht (die 140 Anschläge reichen längst für das bisschen, was sie zu sagen haben), dass sie jetzt in XY angekommen sind, alles echt cool ist und sie gerade das Visum für ihr hundertdreiundzwanzigstes Land erhalten haben. Das 123.! In siebzehn Wochen! Ich übertreibe schon wieder, aber nicht sehr. Reisen wie Skalpesammeln. Immerhin schneiden sie niemandem mehr die Kopfhaut herunter. Haben die Jäger Glück, dann landen sie in einer Talkshow. Solche Großtaten sprechen sich herum. Sie talken dann über ihre Rekordjagd. Wie ein

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