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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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germanischer Weiberheld, der kürzlich »In 80 Frauen um die Welt« jettete. (Wie geschmackvoll vom Verlag, die schriftlichen Erbaulichkeiten nicht unter dem Titel »In 80 Mösen um die Welt« anzubieten.) Wie Rocco Siffredi, Europas regsamster Pornostar. Der verkündete, auch im Fernsehen, dass er »Pussys« sammle. Nicht Frauen, nur deren »Tiefgarage« (das Wort fiel in einem seiner Streifen). Bis jetzt, sagt Rocco, der »italienische Hengst«, habe er knapp viertausend Unterleiber kennengelernt.
    Schade, dass es keine 4000 Länder gibt, sicher würde sich ein Weltmeister finden, der durch alle gerauscht ist. Wäre ich TV-Mann, ich würde den 4000-Pussy-Mann und den 4000-Länder-Mann einladen. Wir Zuschauer würden zwar nichts über Eros und nichts über die Welt erfahren, aber so viele Geschlechtsteile und so viele Stempel und so viele Rekorde wären sicher ein Quotenhit.
    Stichwort Abschied. Es geht noch immer um ihn. Ich meine nicht den Mann-Frau-Abschied, bei dem (künftige) Witwen ihren Kriegshelden nachschauen, wie sie das Panzerschiff besteigen, meine nicht jenen, bei dem Humphrey Bogart am Flughafen von Casablanca – in Hollywood nachgebaut – der bezaubernden Ingrid Bergman zuraunte: »Ich schau dir in die Augen, Kleines.« (Vielleicht der weltberühmteste Abschied.) Ich denke auch nicht darüber nach, ob die Viel-Länder-Protzer je verstehen werden, dass man nichts kapiert von einem Land, wenn man es im 24-Stunden-Rhythmus heimsucht. Egal auch, ob unser römischer Dauersteher je bereit sein wird, eines Tages von seinem frenetischen Reinundraus zu lassen. Ich rede – und das klingt höchst bizarr in einem Buch über das Entdecken der Welt – über den Abschied vom Reisen.
    Ich will mich erklären. Denn Nichtmehr-Reisen meine ich nicht. Nie, nimmer. Weil ich das bleiben will, was ich seit Kindheitstagen bin: ein bekennender Flüchtling. Nein, ich will hier nur behaupten, dass immer reisen so träge machen kann wie nie die eigene Klitsche verlassen. Dass ein Heimweh so wehtun kann wie ein Fernweh. Und dass ein vernunftbegabter Reisender den Zeitpunkt spürt, an dem er umkehren muss. Weil er sich nicht mehr bei jeder Begegnung sagen hören will: »Déjà vu, déjà écouté, déjà senti«, schon gesehen, schon gehört, schon gefühlt! Weil er erkannt hat, dass irgendwann der Tag gekommen ist, an dem er den Weg nach Hause antreten sollte.
    Beispiel: Nach vier Monaten in Südamerika, immer on the road , immer auf der Suche, immer Sonne oder Wind oder Regen, immer ein Hotelbett, das ganz anders war und doch so austauschbar, immer ein Dutzend Leute fragen, um eine richtige Auskunft zu bekommen, immer früher aufstehen, als dem Leib wohltat, immer, ja immer, seine Siebensachen im Auge behalten, immer wieder Storys hören, die einem (meist) das Herz zerschneiden, immer wieder eine Frau vorbeigehen sehen, die man gern an der Hand genommen hätte (um der Einsamkeit zu entkommen), immer wieder auf eine Welt blicken, deren Anblick an ein Fegefeuer auf Erden erinnert – nach all der Zeit, nach all den langen 120 Tagen und Nächten, kam der Blues, der Reiseblues.
    Angefangen bei »Äußerlichkeiten«: Die linkeste Zehe ächzte, ein Backenzahn rumorte, ein Fersendorn kündigte sich an (vom vielen Gehen), der Mac ermüdete. Und die Ohren hingen durch: Ansonsten zügellos hellhörig, waren sie nun faul und schwerhörig geworden. Verstopft vom bisher Gehörten, von den Geschichten menschlicher Glorie und den anderen, voll von unmenschlicher Ruchlosigkeit. Jetzt verweigerten sie die Aufnahme, absolvierten nur noch das Pflichtprogramm. Der Enthusiasmus war hin.
    Noch dramatischer erwischte es die Augen. Sie waren blind geworden. Sie sahen und sahen doch nicht, weigerten sich, neue Bilder aufzunehmen. Sie waren vollgeladen wie der digitale Speicher einer Kamera. Doch im Gegensatz zu dem Hightechgerät hat das menschliche Hirn keinen Ersatzchip, um das (nächste) belichtete Material aufzunehmen. Auch kann man die (belanglosen) Bilder im Kopf nicht löschen, um Platz zu schaffen. Sie bleiben, wie Sperrmüll. Meine Augen streikten. Noch überraschender: Selbst die »schönen« Anblicke, die zauberischen, wie sie so zahllos auf diesem Kontinent vorkommen, wischten nur noch wie ferne Schatten an mir vorbei. Ich kam mir vor wie ein mit Tonnen von Nahrung Zwangsernährter, den die Angst zu explodieren jagte. Keinen Bissen (Welt) wollte ich mehr. Nur noch verdauen.
    Als ich eincheckte, war ich ein glücklicher Mensch. Jetzt

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