Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
süßsauer eingelegten Heringslappen probieren. (Ich bin mir allerdings sicher, dass besagte Stralsunderin nur einen schlechten Tag erwischt hat und der Fisch beim Fischhändler Rasmus weiterhin tipptopp ist).
In Mecklenburg-Vorpommern regiert das Reizklima. Sie werden ständig Hunger verspüren und obendrein den leisen Zwang, frischen Fisch essen zu müssen. Sehr viel, sehr guten frischen Fisch für wenig Geld finden Sie zum Beispiel im Ostseebad Wustrow. Am Ende der Strandstraße gibt es einen Imbiss, dessen Preis-Leistungs-Verhältnis eine Wucht ist. Natürlich gehört Fisch auf den Speiseplan der Meck-Pommer. Schon Dienstmädchen haben sich Ende des 19. Jahrhunderts vertraglich von ihren Herrschaften verpflichten lassen, einmal die Woche Stör zu essen. Zander, Flundern, Dorsch, Hecht, Hering und Aal werden heute ganz ohne Vertrag verzehrt. Dabei gibt es eine Variationsvielfalt sondergleichen: So wird aus Aal Aalsuppe, Spiekaal, Saueraal, Brataal, Schmoraal oder Räucheraal. Letzterer musste mir sogar ins Krankenhaus geschmuggelt werden, damit ich zur vollständigen Genesung bereit war. Fisch wurde in meiner Familie, wie in vielen anderen, immer selbst gefangen, selbst geräuchert, selbst eingelegt, selbst eingetauscht gegen anderen Fisch. Ich kontrollierte mein Wachstum anhand der Salzfässer meines Großvaters, in denen Heringe auf ihre Rollmopswerdung warteten. Mein Bruder, der eine irreparable Abneigung gegen das Grätenpulen hat, profitierte weniger vom Hobby meines Großvaters, war aber keinesfalls benachteiligt, denn auch Wild hat ganzjährig Saison. Ein Fünftel Mecklenburg-Vorpommerns ist bewaldet. Außerdem kann man zu Wild so schön deftige Dinge wie Klöße, Bratensauce und süße Preiselbeeren reichen. Bäter is bäter, secht de Jung und streut sich Zucker up’n Sirup – Die Liebe zum Süßen haben die Meck-Pommer von den Schweden.
Apropos Schweden. Köttbular im Ikea in Rostock laufen phantastisch, sogenannte Bürgerkings und Meckdoofs ebenfalls. Auch griechische Restaurants, die die Teller bekanntlich schön voll knallen. Und zu guter Letzt gibt es in jedem Kaff das obligatorische Chinarestaurant, wohl weil man sich hier darauf verlassen kann, dass alles immer gleich aussieht und gleich schmeckt. Currywurst- und Dönerbuden haben in Mecklenburg-Vorpommern gegen die mobilen Fischstände weniger Chancen. Hier und da findet sich ein Italiener. Ich kenne entlang der Ostseeküste allerdings mindestens vier Italiener, bei denen man Backfisch, Schnitzel, Klops und Pommes bekommt. Wundern Sie sich nicht, wenn der Asiaimbiss mit Pommes und Bockwurst wirbt. Und wundern Sie sich auch nicht, wenn ein Schild am Eingang eines Bauernhofs mit Hier Döner lockt – auch das habe ich in Mecklenburg-Vorpommern sehen müssen. Entscheiden Sie sich im Zweifel lieber für Zum Skipper anstatt fürs Da Vinci oder Mekong . Und ein Tipp obendrauf: Entscheiden Sie sich für Eis anstatt für Kuchen. Das Talent zum Kuchenbacken und Tortenmachen scheint dem Meck-Pommer nicht in die Wiege gelegt worden zu sein. Damit an dieser Stelle nun kein falscher Eindruck entsteht, soll unbedingt erwähnt werden, dass in Mecklenburg-Vorpommern die meisten Sterneköche der neuen Bundesländer kochen. Der erste Stern in Mecklenburg wurde im Ich weiß ein Haus am See verliehen. Sie finden das Restaurant in Krakow am See. Sollten Sie sich zwar an der Mecklenburger Seenplatte, aber nicht am Krakower See befinden, sondern etwas südlicher am Plauer See, wählen Sie das Fischerhaus in Plau. Sollten Sie sich nicht am Plauer See, sondern an der Müritz befinden, lassen Sie sich im vielfach ausgezeichneten Kleinen Meer in Waren verköstigen. Spitzenrestaurants sind in Mecklenburg-Vorpommern leichter zu finden als Starbucks (den haben wir nämlich gar nicht), und das soll uns ein anderes Bundesland erst mal nachmachen.
Eeten, freeten, drinken, suupen, langsam goan und feste pupen – dat set an (Essen, fressen, trinken, saufen, langsam geh’n und kräftig furzen – das setzt an), lautet die hiesige Warnung. Trotz Warnung liegen die meck-pommerschen Männer mit einem durchschnittlichen Bauchumfang von 98,10 Zentimetern auf Platz 2 der dicksten Deutschen (ermittelt von Menth’s Health ). Auch die Meck-Pommerinnen landen unter den Top 3. Schuld daran sind Speisen mit aussagekräftigen Namen wie: Himmel und Erde, Milchsuppe, rote Grütze, Schwarz Sauer, Blutklöße mit Leberwurst, Grünkohleintopf, Klopfschinken, Schwarzbrot mit geräuchertem
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