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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Grundies
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Speck, gekochter Dorsch mit Meerrettich und zerlassener Butter. Sollte man Ihnen in Mecklenburg-Vorpommern Hartewurst anbieten, greifen Sie unbesorgt zu. Dabei handelt es sich nur um die überall sonst mit Salami betitelte – Salami.
    Wer sich über das mit Abstand liebste Nahrungsmittel der Meck-Pommer informieren möchte, besuche das Kartoffelmuseum in Tribsees. Ohne seine Tüffel läuft beim Meck-Pommer schon mal gar nichts. Reis und Nudeln habe ich in Mecklenburg-Vorpommern so selten gegessen wie ein Franzose Wurstbrötchen zum Frühstück.
     
    Klassiker : Omas eingelegte Bratheringe für 1 Kilo Fisch (etwa 6 Stück)
    1 ½ Liter Wasser mit Essigessenz (nach Geschmack), Piment (20), Senfkörner (½ Teelöffel), Wacholder (6), Lorbeerblätter (3), Nelke (1), Pfefferkörner (½ Teelöffel) und etwas Zucker kurz aufkochen lassen. Währenddessen Heringe leicht salzen (alle zusammen, nicht einzeln), in Mehl wenden und in Öl braten. Die gebratenen Fische in eine Schüssel geben, eine große, in Scheiben geschnittene Zwiebel darüber verteilen und den kochend heißen Sud drüberschütten. Ein paar Tage stehen lassen.
Dienstleistung und ihre Motivation
    Schwarze Milch der Frühe , zitierte mein Literaturprofessor, um uns den Begriff Oxymoron zu erklären. Ebenso hätte er Gastgeberland Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel für etwas sich Ausschließendes anführen können. Gastgeberland Mecklenburg-Vorpommern ist meinem Empfinden nach zumindest ein scheinbares Oxymoron. Ich bin der Überzeugung, dass Mecklenburg-Vorpommern seine Gäste landschaftlich ganz besonders liebevoll, aufmerksam, reizend und rührend empfängt, menschlich jedoch nicht ohne einige Erklärungen auskommt. Mehrfach angedeutet, muss ich es hier noch einmal ausdrücklich erwähnen: Der Meck-Pommer ist von Natur aus kein geselliges Tierchen. Im Umgang mit Fremden zeigt er sich scheu. Im Umgang mit Fremden, die ihn für seinen Umgang bezahlen, wandelt sich diese Scheu nicht selten in etwas gnatzig, nahezu unwirsch Wirkendes. Diese Wirkung lässt sich anhand dreier Unterkategorien genauer erläutern und soll Ihnen helfen, Ihre Gastgeber besser zu verstehen:
    Kategorie A – Vorfahre Seeräuber
    Kategorie B – Aktion Rose
    Kategorie C – Falscher Beruf
     
    Die Motivation von Kategorie A :
    Typ A finden Sie entlang der gesamten Ostseeküste. Er bemüht sich redlich, ist dabei aber etwas ruppig und maulfaul, was an seinen Genen liegt und nicht an einer akuten Misslaunigkeit. Seine Vorfahren schipperten über die stürmische See, Regen peitschte ihnen Tag für Tag ins Gesicht, die Handflächen von hindurchrutschenden Tauen blutig, hatten sie am Abend wieder nur einen öden Fisch auf dem Teller. Dazu eine Buddel voll Rum. Gesprochen wurde nicht viel, bezahlt ebenso wenig. Man nahm sich, was man brauchte, und hatte, was man hatte. An Bord Papageien, die einem mit ihrem Geplapper schon bald den letzten Nerv zu rauben drohten. Typ A im meck-pommerschen Dienstleistungsgewerbe erkennen Sie an einem misstrauisch zusammengekniffenen Auge und an seiner knapp bemessenen Wortwahl.
     
    Die Motivation von Kategorie B :
    Die Motivation der unwirschen Wirkung des Typus B erklärt sich zu einem Großteil aus der 1953 entlang der meck-pommerschen Küste durchgeführten Aktion Rose . Mit der Aktion Rose wurden innerhalb nur eines Monats vierhundertvierzig Hotels und Pensionen und rund hundertachtzig Gaststätten, Wohnhäuser und Wirtschaftsbetriebe beschlagnahmt, ihre Eigentümer unter fadenscheinigen Gründen der Wirtschaftskriminalität bezichtigt und eingesperrt. Sinn und Zweck der Aktion war die Enteignung der privaten Hoteliers und Pensionsbesitzer, Gastwirte und anderer Dienstleistungsunternehmer. Dann übernahm der Staat den Ferienbetrieb. Er organisierte und kontrollierte ihn. Niemand konnte mir nichts dir nichts eine Unterkunft buchen, solange er nicht privat unterkam. Wer einen Ferienplatz hatte, freute sich und beschwerte sich nicht. Ebenso freute man sich über Ware, die unter oder über dem Ladentisch gereicht wurde – ganz gleich, ob dem ein freundliches Lächeln beigefügt wurde oder nicht. Gnädig war, wer etwas zu geben hatte, glücklich der, der etwas bekam. Niemand musste sich sonderlich bemühen, seine Waren loszuwerden, sein Bett, sein Schweineschnitzel mit Ketchup. Diese Attitüde steckt dem ein oder anderen an der ostdeutschen Ostseeküste noch tief in den Knochen. Gänzlich begriffen hat Typ B das Unternehmen Dienstleistung und

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