Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Möglichkeit, eine Vorkritik des Stückes zu entwickeln, bequem von zu Hause aus oder in einer Nische seines Wirtshauses oder Cafes verweilend. Man muß dabei erwähnen, daß Thomas Bernhard in dieser gleichzeitig frühen wie heißen Phase die Arbeit an seinem Stück noch gar nicht beendet hatte und die Art und Weise der Kritik an seiner Person quasi eine Bestätigung seines Dramas darstellte. Was nicht heißt, daß ganz Österreich wie ein Mann und eine Frau hinter der Ablehnung eines noch ungesehenen Bühnenwerks stand. Für die jüngeren Leute war dies eine aufregende, gute Sache und der »konservative« Bernhard ein Held des Wortes, der Apologet einer Anti-Haltung, die frei war von ideologischen Fußbädern.
Was bei alldem am typischsten scheint, ist, daß der Skandal im Vorfeld stattfand und daß mit der Premiere von Heldenplatz die Erregung deutlich abnahm. Man kann sagen, der Österreicher ist lieber schwanger, als es mit einem auf die Welt gekommenen Kind zu tun zu haben. Mit einem Kind muß man sich beschäftigen. Man muß in der Nacht aufstehen, Windeln wechseln, Milch wärmen. . . Der für Österreicher ideale Zustand im Hinblick auf ein umstrittenes Kunstwerk wäre jener ewiger Schwangerschaft. Woraus dann eine ewige Erregung resultieren könnte.
Der stärkste Aspekt in Heldenplatz ist nun sehr viel weniger die pointierte Qualifizierung Österreichs als einen Staat aus alten und neuen Nazis, sondern die Darstellung der österreichischen Sozialdemokraten als »Staatsverschacherer«. Da heißt es etwa in bezug auf die Gewerkschaftsführer: ». . . und sehen ihre Hauptaufgabe in skrupellosen Bankgeschäften. . .« Tatsächlich kann man sagen, daß die Geschichte der SPÖ seit der Kanzlerschaft des »Sonnenkönigs« Bruno Kreisky ein myzelartiges Gebilde der Skandale ist, Skandale, deren entscheidendes Merkmal die Nonchalance ist, mit der sie begangen wurden. Man kann sagen, SPÖler sind Skandalkünstler, keine Trickser wie anderswo, sondern Leute mit einem aristokratischen Selbstverständnis, die meinen, sich nur zu nehmen, was ihnen qua Abstammung zusteht. Thomas Bernhard war dank seines tiefgehenden Gefühls des Auserwähltseins eine der wenigen wirklich unabhängigen Autoren Österreichs, welcher sich erlaubte, jene Sozialistenclans anzugreifen, zu deren für Aristokraten ganz typischen Hobbys es gehörte und gehört, die Kunstschaffenden zu fordern und zu versorgen.
Im Ausland, vor allem natürlich in Deutschland, hat man fast immer nur die Bedrohung durch Gestalten wie Jörg Haider wahrgenommen, die prinzipielle Anfälligkeit der Österreicher für die rechten Abgründe festgestellt und selten erkannt, wie sehr das »Problem Haider« aus der immer unverschämteren Machtnahme der sozialistischen Aristokratie resultierte. Diese Aristokratie hat einige Schrammen und Niederlagen wegstecken müssen — und zwar im Stil beleidigter Generäle —, ist nun aber wieder ganz oben. Und ein Schelm, wer denkt, sie hätte etwas dazugelernt. Das Dazulernen ist sowieso unösterreichisch. Es gilt als unsportlich, defätistisch und stillos. Es ist etwas, was man gerne den Deutschen zuordnet. Die Deutschen sollen aus der Geschichte lernen, gleich Versuchstieren, die durch Bestrafung und Belohnung beim nächsten Mal einen besseren Weg aus dem Labyrinth finden. Die Österreicher aber sehen sich selbst als Labyrinth. Was also sollten sie lernen?
Bezeichnenderweise gehörten auch die Peymanngegner Fritz Muliar und Erika Pluhar dem Dunstkreis jener Genossen an, welchen es gelang, das Prinzip des Ornaments und das Prinzip des Privilegs zu verschmelzen. Pluhar war übrigens mit gleich drei bedeutenden Männern verheiratet beziehungsweise liiert. Mit Udo Proksch, André Heller und dem wunderbaren Schauspieler Peter Vogel, der sich 1978 das Leben nahm.
Vogel war der erste Major Adolf Kottan aus der Krimiserie Kottan ermittelt, diesem Geschenk des österreichischen Fernsehens an die deutschsprachige Welt. Der »Kottan« des Peter Vogel war noch nicht die pure Persiflage, noch frei von der rasanten Zellteilung rennender Gags, sondern ausgestattet mit der für diesen Schauspieler typischen Verbindung des Komischen mit dem Traurigen.
Andre Heller wiederum muß man als den Großmeister des Peinlichen ansehen, den Ruinierer der poetischen Phrase, wären da nicht die Wienerlieder, die er mit Helmut Qualtinger aufgenommen hat. Wenn die beiden kongenial »Bei mir sads olle im Oasch daham, im Oasch durt is eicher Adreß, bei mir sads
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