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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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draußen.
    »Weißt du, es ist mir eigentlich nicht recht, dass du so oft im Einkaufszentrum bist«, sagte sie, während sie sich anschnallten.
    »Wieso nicht?«
    Wieso nicht? Einkaufszentren waren eine Bastion des Massenkonsums, Junkfood-Zentren, die Perverse, Kinderschänder und Kidnapper anzogen und zudem ein beliebtes Ziel für Terroranschläge waren (sagten die Nachrichtensender). Und hatte Kate nicht neulich erst einen Bericht gesehen, demzufolge Teenager Sex in öffentlichen Toiletten haben? Sie konnten sich mit »Apps« ausfindig machen und sich verabreden. Kate hoffte, dass das nur ein Gerücht war. Sie traute sich nicht, Chelsea danach zu fragen.
    »Kommt mir irgendwie unnatürlich vor, seinen Freitagnachmittag dort zu verbringen«, sagte Kate. »Außerdem fahren wir am Sonntag in den Urlaub. Wir müssen heute Abend mit dem Packen anfangen.«
    Allein bei der Vorstellung bekam sie Magenkrämpfe. Sie fürchtete sich so vor der Fahrt. Der Gedanke belastete sie, machte sie nervös, und sie giftete Sean und die Kinder an.
    »Mom«, sagte Chelsea. Ihre Tochter war zu intelligent, um auf diese Scheinargumente einzugehen. »Die Kriminalitätsrate ist auf ein historisches Tief gesunken. Entführungen und Morde spielen sich fast ausschließlich außerhalb von Einkaufszentren ab.«
    »Du klingst wie Sean«, sagte Kate. Wie so oft war sie gleichzeitig stolz und beleidigt; sie schätzte den IQ ihrer Tochter höher ein als ihren eigenen. Immerhin konnte sie sich erinnern, selbst einmal schlagfertig, witzig und smart gewesen zu sein – früher.
    »Ich brauche sowieso noch ein paar Sachen«, sagte Chelsea, die Pragmatikerin. »Ist ja nicht so, dass ich da ziellos herumirre.«
    »Was brauchst du denn?«
    »Eine Fleecejacke und Wanderschuhe.« Chelsea zuckte die Achseln. »Kleidung für draußen.«
    »Nimm die Kreditkarte.«
    Kate und Sean hatten Chelsea zu ihrem fünfzehnten Geburtstag eine Kreditkarte geschenkt. Für die Benutzung hatten sie strenge Regeln aufgestellt, und Chelsea musste sich jeden Kauf im Vorfeld genehmigen lassen, von Notfällen abgesehen. Nie hatte es Probleme gegeben, denn Chelsea kam nach ihrer Mutter – sie war die Sorgfalt in Person. Bei Brendan, dem Jüngsten, sah es anders aus. Er musste noch lange auf eine eigene Kreditkarte warten. Er war charmant, aber gerissen. Und ein Rebell.
    Die Mall, ein strahlend weißer Klotz, ragte aus der gepflegten Grünanlage auf wie ein Monument der Dekadenz. Kate hielt vor dem Eingang und wartete, bis Chelsea ihre Sachen eingesammelt hatte.
    »Wir treffen uns genau hier, um sechs Uhr«, sagte sie. »Hast du dein Handy dabei?«
    »Natürlich«, sagte Chelsea und gab ihrer Mutter einen flüchtigen Kuss. Sie stieß die Tür auf und sprang aus dem Auto. Kate ließ das Fenster herunter.
    »Schreib mir eine SMS «, rief sie Chelsea nach. Die hob kurz die Hand, drehte sich aber nicht noch einmal um. Im nächsten Moment hatte die riesige Drehtür sie verschluckt.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit musste Kate an die tränenreichen Abschiedsszenen vor dem Kindergarten denken. Früher hatte ihre Tochter sich wie ein Äffchen an ihr festgeklammert und geweint. Lass mich nicht allein, Mommy (die fünf schrecklichsten Wörter überhaupt).
    »Mommy kommt immer zu dir zurück, Schätzchen. Spiel mit den anderen«, hatte Kate sie getröstet und sich dabei aus der Umklammerung befreit. Sie freute sich auf die paar Stunden, die sie für sich hatte, und wurde gleichzeitig von heftigen Schuldgefühlen geplagt.
    Brendan hingegen war jedes Mal davongerannt, ohne einen Blick zurückzuwerfen, selbst als Kleinkind. Er war viel selbstsicherer als Chelsea, die die hässliche Scheidung ihrer Eltern miterleben musste. Brendans Welt war unerschütterlich; Kate und Sean waren glücklich verheiratet. Chelsea hingegen war während Kates erster, unglücklicher Ehe zur Welt gekommen. Obwohl Chelsea Sean als ihren Dad betrachtete und sie seit Jahren friedlich zusammenlebten, fürchtete Kate, sie könnte aus jener schwierigen Zeit Schäden zurückbehalten haben. Bis heute übte ihr Vater Sebastian einen unguten Einfluss auf sie aus. Kate versuchte, die Anflüge von Hass und Reue auszusitzen, die sie immer noch regelmäßig überfielen. Sie wollte loslassen. Was sollte sie auch machen? Das Leben war kein Ponyhof, für niemanden, auch für Chelsea nicht.
    Als sie den Fußballplatz erreichte, klingelte ihr Handy. Was ist denn nun schon wieder? Diesen Satz hatte Kate von ihrer Mutter, die sich auch

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