Gedrillt
größte Teil ihres Publikums hatte auch keine. Sie war schlau genug, das auszunützen. Die anderen Redner langweilten mit vernünftigen Argumenten. Als die Reihe an Fiona kam, war sie attraktiv und amüsant. Sie machte ihre Gegner lächerlich und plädierte für ihre Meinung mit Argumenten, denen eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen war. Natürlich konnte sie die Debatte nicht gewinnen, das wußte jeder, aber sie bewies, daß sie geistig überaus rege war. Sie stellte ein paar gut recherchierte Tatsachen, ein paar Halbwahrheiten und einen Haufen totalen Quatsch zu einem auf den ersten Blick verdammt überzeugenden Bild zusammen.«
»Ich dachte, das macht jeder an der Universität.«
»Da hast du nicht ganz unrecht, Bernard. Aber in Fiona lernte ich eine Frau kennen, die stets imstande war, ihren eigenen Geist aus dem Material, das sie manipulierte, herauszuhalten, kristallklar, verstehst du. Das ist aber die Essenz unserer Arbeit. Versagen ist bei jedem Nachrichtendienst das Los derer, die nicht unterscheiden können zwischen dem, was sie als Tatsachen kennen, und dem, was sie gerne für wahr halten würden.«
»Oder nicht unterscheiden wollen«, sagte ich mitfühlend.
»Genau. Und deine Frau ist Realistin, Bernard. Die leistet sich keine ausschweifenden Phantasien, keine Romantik, kein Wunschdenken.«
»Nein«, bestätigte ich. »Nicht die Bohne.«
»Sie wurde nie angeworben. Ich behielt sie für mich. So hat man das damals gemacht. Wir hatten alle unsere eigenen Agenten: Dein Papa, ich, der Lange, jeder hatte seine eigenen Leute, die aus unregistrierten Überweisungen der Zentralen Finanzierungsstelle besoldet wurden. Die Sorte Finanzgebaren, wegen der du noch kürzlich dem armen Bret Rensselaer die Hölle heiß gemacht hast. Erinnerst du dich?«
»Ja«, sagte ich.
»Als Sir Henry Generaldirektor wurde, ließ ich ihn wissen, daß Fiona bestens getarnt sei. Und als sie darauf drängte, diese große Chance zu kriegen, habe ich auch Bret informiert. Wir beschlossen, es dabei zu belassen. Ihr Name ist nirgends schriftlich fixiert.« Er fiel wieder in Schweigen. Ich schenkte mir Tee ein, er hatte seinen nicht berührt. Er starrte ins Feuer und schien in Gedanken versunken, die er für sich zu behalten gedachte. »Dein Vater fehlt mir«, sagte er schließlich. »Dein Vater wußte auf alles, was so passierte, immer eine Antwort. Dem hatten sie nicht an der Universität das Hirn mit langweiligen Vorlesungen versalzen. Ich glaube nicht, daß er in seinem ganzen Leben ein einziges Examen abgelegt hat.« Silas sah mich an. Ich erwiderte nichts. »Leute, die sich wie dein Vater selbst erzogen haben – Autodidakten höre ich sie heutzutage nennen –, lesen nicht, um zur Übereinstimmung mit den vorab festgesetzten Antworten irgendeiner mehr oder weniger schwachsinnigen Prüfungskommission zu gelangen, sie finden einen individuellen Standpunkt.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Mein Wort, Bernard, es war lustig, wie dein Vater ein paar von diesen eingebildeten jungen Eseln bloßgestellt hat, die man uns schickte. Er konnte aus so verschiedenen Quellen zitieren, daß denen die Spucke wegblieb. Jung, Nietzsche, Sueton, Apostel Paulus, Hitler, George Washington, Statistiken aus Speers geheimen Aufzeichnungen, Schiller und Einstein. Deinem Vater stand das alles zur Verfügung. Ich erinnere mich, wie er einmal einem gelehrten alten SS-General erklärte, daß sein großer Held Arminius – der tapfer die Römer schlug, was den Briten, Kelten und allen anderen nicht gelang – die Wohltaten der Zivilisation von Germanien fernhielt, Deutschland in einem barbarischen Chaos festhielt, so daß man dort noch Jahrhunderte später nicht einmal soweit war, steinerne Gebäude zu errichten. ›Ihr Deutschen müßt ein paar Jahrhunderte Zivilisation nachholen‹, sagte dein Vater geduldig. Es war nicht leicht festzustellen, inwieweit er dabei ernstgenommen werden wollte.« Silas kicherte. »Wir haben schöne Zeiten zusammen gehabt, dein Vater und ich.« Für ein paar Augenblicke war Silas wieder ganz der alte, doch dann – da ihm vermutlich der Tod meines Vaters von neuem bewußt wurde – versank er wieder in feierliches Schweigen.
»Was ist in Berchtesgaden passiert, Silas? Was ist da geschehen, das irgendwie die Karriere meines Vaters ruiniert zu haben scheint?«
»Und einen gewissen Schatten auch auf meine geworfen hat«, ergänzte Silas. »Hast du dich nicht manchmal gefragt, warum sie mich nicht in den Ritterstand
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