Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
ich nicht mehr ins Büro. Auf der Rückfahrt von Silas Gaunts Landgut wurde das Wetter immer schlechter, bis ich kurz vor London durch ein außerordentliches Gewitter fuhr, das den Himmel mit blauen Blitzen erleuchtete, im Autoradio atmosphärische Störgeräusche verursachte und langanhaltendes Donnergrollen folgen ließ. Ich fuhr direkt nach Hause. Es war früher Abend. Das Haus war kalt und leer, ein warnender Hinweis darauf, wie es sein würde, allein zu leben. Die Kinder waren zum Essen bei Freunden. Ich zündete das Gasfeuer an, setzte mich in einen Sessel davor und beobachtete, wie die Flamme die Farbe wechselte, bis der ganze Rost rot war. Ich döste ein.
    Glorias Ankunft weckte mich. Sie knipste das Licht an, und obwohl sie den Wagen draußen gesehen haben mußte, hob sie eine Hand und machte eine kleine überraschte Bewegung, als sie mich da sitzen sah. Eine sehr weibliche Reaktion, gespielt vielleicht, aber kraft irgendeiner Magie überzeugte bei ihr solche kindliche Schauspielerei. Sie war sehr naß. Wahrscheinlich hätte ich sie vom Bahnhof abholen sollen, aber sie beklagte sich nicht. »Es gibt nur gefrorenes Szekelygulyas«, sagte sie, während sie ihren tropfnassen Regenmantel auszog und ein Handtuch holte, um ihr Haar abzutrocknen.
    »Nur gefrorenes Szekelygulyas«, sagte ich nachdenklich. »Was für ein gutes Leben wir doch führen.«
»Ich hatte keine Gelegenheit zum Einkaufen«, sagte Gloria. Ich hörte einen warnenden Ton in ihrer Stimme. »Wir können zu Alonso gehen oder in das kleine chinesische Lokal«, schlug ich vor.
»Was macht dich so brummig heute abend, Teddybär?«
»Ich bin nicht brummig«, sagte ich und brachte ein überzeugendes Lächeln zum Beweis dieser Behauptung zustande.
»Mir reicht ein weichgekochtes Ei«, sagte sie.
»Mir auch«, willigte ich ein.
Sie stand vor dem Spiegel und kämmte ihr nasses Haar. Sie blickte mich an und sagte: »Das sagst du, Bernard, aber wenn ich dir nur ein Ei gebe, fängst du vor dem Schlafengehen immer an, in der Speisekammer herumzustöbern und Büchsen aufzumachen oder Weizenkleie zu futtern.«
»Essen wir doch das gefrorene Szekelygulyas«, sagte ich, denn mir war plötzlich eingefallen, daß sich’s dabei nicht um irgendein neues Fertiggericht aus dem Supermarkt handelte, sondern um ein Gericht aus der Küche ihrer Mutter. Kritik an einer solchen Mahlzeit konnte zu Verwicklungen in der Psyche führen, die nur ein freudianischer Feinschmecker hoffen konnte zu entwirren. »Das ist mein Leibgericht! Ist das nicht Huhn in saurer Sahne?«
»Es ist Schweinefleisch mit Sauerkraut«, sagte sie zornig, aber als ich das Gesicht verzog, grinste sie. »Du bist ein Aas! Wirklich!«
»Ich wußte, daß es Schweinefleisch mit Sauerkraut ist«, sagte ich.
»Es gibt da auch noch den neuen Fisch-und-Chips-Imbiß, den wir noch nicht ausprobiert haben.«
»Was für Wein paßt zu Szekelygulyas?«
»Du magst kein ungarisches Essen.«
»Doch, sehr gern.«
»Du hast gesagt, daß dir immer der Kümmel zwischen den Zähnen steckenbleibt.«
»Das war, als ich noch die anderen Zähne hatte.« Sie kniete neben meinem Stuhl nieder und legte die Arme um mich. »Bitte versuche es, Bernard. Bitte versuche, mich wirklich zu lieben. Ich kann dich glücklich machen, das weiß ich, aber du mußt dir auch ein bißchen Mühe geben.«
»Ich liebe dich wirklich, Gloria«, sagte ich.
»Ist Silas sehr krank?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich. »Mal scheint er kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen, und im nächsten Augenblick schreit er rum und duldet keinen Widerspruch.«
»Ich weiß, daß er dir sehr viel bedeutet.«
»Er ist alt«, sagte ich. »Früher oder später müssen wir alle gehen. Er war gut am Ball.«
»Ist es also irgendwas, das ich getan habe?«
»Nein, Liebes. Du bist vollkommen. Darauf gebe ich dir mein Wort.« Ich meinte, was ich sagte.
»Es ist dieses Haus, nicht? Du haßt dieses Haus, seitdem wir hier wohnen. Ist es die lange Fahrt? Dein anderes Haus war so zentral gelegen.«
Sie küßte mein Ohr. Ich hielt sie fest. »Das Haus ist in Ordnung. Ich versuche nur gerade, ein paar Probleme zu lösen, die in Zusammenhang mit meiner Arbeit stehen. Du wirst mir mein Brummigsein nachsehen müssen.«
»Meinst du Dicky Cruyer?«
»Nein. Dicky ist meine geringste Sorge. Ohne mich, der ihm neunzig Prozent seiner Arbeit abnimmt, würden sie ihn wahrscheinlich irgendwohin versetzen, wo er weniger Schaden anrichten könnte.«
»Aber?«
»Eine Menge Leute würden es liebend

Weitere Kostenlose Bücher