Gedrillt
erzählt.«
»Ich freue mich, daß du so gut aussiehst«, sagte ich.
»Er hat das ganze Haus voller Uhren. Skelett-Uhren, Kutscher-Uhren, Ballon-Uhren, Uhren auf Elefantenrücken, Uhren in den Bäuchen von Adlern. Ich will nicht, daß meine schöne Uhr in eine derartige Sammlung hineingerät. Das wäre, als schicke man ein Kind ins Waisenhaus oder Mrs. Porter ins Armenhaus. Es ist ein Uhrenfetischist. Er sollte einen Psychiater konsultieren; mit einem Mann, der in einem Haus voller Uhren leben will, stimmt irgendwas nicht. Ich könnte ja mein eigenes Wort nicht verstehen bei all dem Bimbam und Ticktack.« Es wurde leicht an die Tür geklopft. Silas sagte: »Herein«, in dem jovialen dröhnenden Ton, den er Mrs. Porter gegenüber anschlug. Es war aber einer der jungen Männer.
»Alles startbereit, Mr. Gaunt«, sagte er, und es war ihm anzuhören, daß er aus der Gegend hier kam.
»Sehr gut«, sagte Silas, ohne sich nach ihm umzusehen. Der Mann blickte ihn an, als erwarte er eine ernsthaftere Antwort. »Wir machen uns also ans Werk.«
»Ja doch«, sagte Silas gereizt.
Der Mann betrachtete den Hinterkopf des Sprechers, schaute dann mich an, rollte die Augen und ging. Ich erwartete, daß Silas diese Störung irgendwie erläutern würde, er sagte aber nur: »Auf meine alten Tage habe ich Wagner wiederentdeckt.«
»Das ist erfreulich.«
Nach einer langen Pause bemerkte er: »Ich verliere die Ulmen. Sie haben diese verdammte Krankheit.«
»Alle?«
»Nur die an der Vorderfront.« Er biß sich auf die Lippe. »Sie haben immer da gestanden. Mein Vater liebte sie. Vielleicht sollte ich mich wegen dieser verdammten Bäume nicht so aufregen, aber …«
»Du kannst andere pflanzen«, sagte ich.
»Ja, ich werde sechs Eichen pflanzen.« Er lächelte. Es war verständlich, daß er sich irgendwie mit den Bäumen identifizierte, die von jeher das Haus an der Auffahrt eingerahmt hatten. Es würde andere Bäume geben, auch andere Leute, aber Silas Gaunt würde längst gefällt, verheizt und vergessen sein, wenn sie herangereift waren. Er zog ein leuchtendrotes Baumwolltaschentuch, tupfte sich die Augen ab und schneuzte sich. »Ist es dir zu rauchig hier? Wenn ja, mach das Fenster auf.«
»Ich fühle mich wohl.«
»Ist Fledermaus gut gelaufen? Hast du Fiona gesehen?« Von draußen kam das Geräusch einer angeschalteten Kettensäge. Sein Gesicht verkrampfte sich, aber er tat so, als höre er es nicht.
»Ich habe sie gesehen«, antwortete ich.
»Ist dir nun alles klar?«
Es war noch lange nicht klar, aber das zu äußern würde wenig bis gar nichts bringen.
»Wir holen sie also raus?« wollte ich von ihm bestätigt wissen.
»Wenn’s Zeit ist.«
»Ein Wunder, daß sie’s so lange ausgehalten hat.«
»Sie ist ein verdammt tüchtiges Mädchen«, bemerkte Silas. »Eine wundervolle Frau.«
»Und Erich Stinnes kommt auch?«
Silas sah mich abwesend an. Der Lärm der Kettensäge mußte ihn momentan irritiert haben. Ihr Kreischen ertönte in immer längeren Schüben, so, wie sie immer längere und stärkere Äste abschnitt, ehe sie den Baum fällte. Ein Baum ist natürlich wie ein Agentennetz, und so haben die alten Handbücher aus der Kriegszeit es auch immer abgebildet. Und wie einen Baum zerstört man ein Agentennetz, indem man bei einem seiner Zweige anfängt und dann einen Ast nach dem anderen kappt, bis der Stamm gestürzt und die Wurzeln ausgerodet sind. »Stinnes …«, sagte Silas. »Ja, nehme ich an. Ist Stinnes wichtig?«
»Wichtig?« sagte ich. Ich war so durcheinander, wie er zu sein schien.
»Stinnes anzuwerben … ihn dazu zu bringen, daß er zurückging und auf der anderen Seite für uns arbeitete, das war brillant. Eine Meisterleistung«, sagte Silas. Seine Augen waren hell und wach jetzt. »Wenn Stinnes schließlich unversehrt zurückkommt, wird das Department sich über alle Vorschriften hinwegsetzen, um für Bret Rensselaer einen Adelstitel zu erwirken.« Ich sah ihn aufmerksam an. Stinnes arbeitete also für uns. Aber tatsächlich meinte er zweifellos, falls Fiona unversehrt zurückkäme, aber so offen wollte er denn doch nicht mit mir reden.
»Hat Bret das organisiert?«
»Nein. Aber Stinnes zurückzuschicken war ursprünglich Brets Idee. Bret hat deswegen alle Hebel in Bewegung gesetzt.«
»Es war Wahnsinn«, sagte ich. »Vielleicht ist Stinnes damit durchgekommen, vielleicht spielen sie mit ihm. Wer kann das genau wissen? So oder so war es unverantwortlich, ihn zurückzuschicken. Es hat Fiona in Gefahr gebracht.«
»Siehst
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