Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
von neuem bewußt wurde – versank er wieder in feierliches Schweigen.
    »Was ist in Berchtesgaden passiert, Silas? Was ist da geschehen, das irgendwie die Karriere meines Vaters ruiniert zu haben scheint?«
    »Und einen gewissen Schatten auch auf meine geworfen hat«, ergänzte Silas. »Hast du dich nicht manchmal gefragt, warum sie mich nicht in den Ritterstand erhoben haben?«

    - 258 -
    »Nein«, sagte ich, obwohl ich tatsächlich die Frage schon häufig erörtert gehört hatte.
    »Wieviel weißt du?«
    »Ein Deutscher, ein Mann namens Winter, wurde
    erschossen. Papa wurde beschuldigt. Das ist alles.«
    »Zwei Deutsche: ein Häftling, für den dein Vater direkt verantwortlich war, und dessen Bruder, der, jedenfalls formal, Offizier der U.S. Army war. Es war in der amerikanischen Zone. Der Krieg war vorbei. Alle Beteiligten warteten auf ihre Entlassung in die Heimat. Sie waren keine Frontsoldaten.
    Männer mittleren Alters, Angestellte der Militärverwaltung, alle nur beschränkt tauglich und ohne große Erfahrung im Umgang mit Waffen. Nervös, betrunken, schießwütig … Wer weiß, wie es tatsächlich passiert ist. Dein Vater war der einzige Engländer dort und war schon vielen Leuten auf die Hühneraugen getreten. Die Amis haben einfach ihm die ganze Schuld gegeben. Max hat das hinterher leid getan. Hat er mir mehr als einmal gesagt.«
    »Max?«
    »Max Busby. Der beim Langen war.« Angesichts meines verständnislosen Blicks fügte er hinzu: »Der, den sie umgelegt haben, als ihr beide über die Mauer seid. Er war Hauptmann in der amerikanischen Armee gewesen. Er leitete das Suchkommando in der Nacht, in der diese Deutschen erschossen wurden. Wußtest du das denn nicht? Hat Max es dir nie erzählt?«
    Ich brauchte ein Weilchen, um mich von meiner
    Verblüffung zu erholen. »Nein, das hat Max mir nie erzählt. Er war ein verdammt guter Freund.« Das war eine ausweichende Bezeichnung für einen Mann, der sich hatte totschießen lassen, um mir eine Chance zu geben, mit heiler Haut nach Hause zurückzukehren. Aber ich brauchte nicht mehr zu sagen, Silas kannte die Geschichte.
    »Für dich war er das wirklich immer. Max hatte dich gern,

    - 259 -
    Bernard, wirklich gern. Aber ich habe mich oft gefragt, inwieweit er damit das Unrecht wiedergutmachen wollte, das man mit seiner Hilfe deinem Vater angetan hatte. Denn es war Max’ Aussage, die den Untersuchungsausschuß überzeugte, daß dein Vater tatsächlich die tödlichen Schüsse abgefeuert hat. Diese Geschichte kam ihnen gerade recht. Die Soldaten konnten ohne längeren Aufschub ins Privatleben zurückkehren, und die amerikanischen Zeitungen wurden um die Schlagzeilen gebracht, auf die sie schon scharf waren. Aber der Ruf deines Vaters war seit dieser Sache lädiert. Eigentlich wollten sie ihn auf irgendeinen elenden Verbindungsjob abschieben, aber ich habe darauf bestanden, daß er bei mir blieb.«
    »Deshalb haßte also Papa Max«, sagte ich.
    »Max, ja. Und den Langen auch. Überhaupt war er nach dieser Geschichte sauer auf die Amis. Eine kindische Reaktion, aber er war sehr erbittert und enttäuscht.«
    »Hat er nicht die Wiederaufnahme der Untersuchung beantragt?«
    »Natürlich. An der Aufhebung dieses Urteils war deinem Vater mehr gelegen als an irgendwas sonst. Aber das Department konnte sich das öffentliche Interesse, das damit erweckt worden wäre, nicht leisten. Und die offizielle Linie, sowohl unserer als auch der amerikanischen Politik, tendierte dahin, alles zu vermeiden, was zur Verstimmung zwischen den Alliierten hätte beitragen können.« Er lehnte sich zurück. Für einen Augenblick hatten ihn die Erinnerungen neu gekräftigt, aber jetzt waren ihre Gespenster scharenweise ins Zimmer gedrungen, und er schien nicht mehr zu wissen, daß ich noch da war. Ich trank ein bißchen von meinem lauwarmen Tee.
    Als Silas wieder zu sprechen begann, war seine Stimme angespannt. Er sagte: »Ich glaube, ich sollte was von dieser verdammten Medizin nehmen. Mrs. Porter weiß, wieviel sie mir davon geben muß.«
    »Ich werde jetzt gehen, Silas«, sagte ich schließlich. »Du

    - 260 -
    mußt dich ein bißchen ausruhen.«
    »Bleib doch zum Lunch, Bernard.«
    »Ich muß in die Stadt zurück«, sagte ich.
    Er versuchte nicht, mich zu überreden. Nun, da er seine Pflicht getan hatte, verließen ihn die Kräfte, wollte er allein gelassen werden.
    »Das mit den Ulmen tut mir leid, Silas.«
    »Die Eichen werden sich auch sehr gut machen«, sagte er.
    Ich lehnte Mrs.

Weitere Kostenlose Bücher