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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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abholen.«
    »Die Parkuhren laufen ab halb neun.«
    »Können wir mitgehen, Bernard, oder nicht?« Ich sah ihr ins Gesicht. »Ich würde lieber jetzt gleich direkt nach Hause gehen mit der schönsten Frau im Zimmer.«
    »Ach komm, laß uns doch mitgehen«, sagte Gloria, die offenbar nicht in Laune war, sich durch Schmeichelei überreden zu lassen, mir einen Gefallen zu tun. »Es klingt verheißungsvoll.«
    »Ich liebe dich wirklich ganz furchtbar, Bernard.«
    »Du bist ein scheußliches, bettelndes Frauenzimmer«, sagte ich. »Ein bayerischer Fürst und eine Fürstin!«
    Du lieber Gott, dachte ich, worauf hast du dich da wieder eingelassen? Andererseits würde ich da vielleicht noch eine Chance kriegen, mit Tessa über diesen verdammten Pelzmantel zu reden.

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12
    Der Fürst und die Fürstin hatten ihr Haus in Pimlico, einer Ecke der Londoner Innenstadt, um welche die Themse biegt, ehe sie nach Westminster kommt. Als, lang ist’s her, Thomas Cubitt damit fertig war, den Reichen von Belgravia große Häuser mit Stuckfassaden zu verkaufen, baute er nach den gleichen Plänen auf dem billigeren Boden des benachbarten Pimlico. Pimlico, hieß es, sei im Kommen: und so noch immer.
    Denn trotz der Ähnlichkeit seiner Gärten, Plätze und stattlichen Häuser ist Pimlico niemals zu einem neuen Belgravia geworden. Es war und ist bis auf den heutigen Tag ein Stadtviertel geblieben, wo alle möglichen Leute wohnen; diesen Mißstand zu beheben, hat sich die Bezirksverwaltung nicht gerade angestrengt: Eine anscheinend willkürliche Anordnung von Einbahnstraßen und Hindernissen macht die Gegend zu einem berüchtigten Labyrinth für Autofahrer.
    Cubitts große Häuser sind jetzt in kleine Wohnungen unterteilt, die in den Annoncen als »Studio-Apartments« und
    »Dachterrassen« angepriesen werden. Schäbige Hotels und Pensionen bieten auf kunstlos gemalten Firmenschildern Unterkunft nahe Londons einziger Endstation für Überlandautobusse und dem geschäftigen Victoria-Bahnhof.
    In einer der stilleren Straßen dieser Gegend hatte unser Gastgeber ein großes Haus erworben und mit erheblichen Kosten renoviert. Das war, wie mir George auf der Fahrt dorthin erklärte, eine kluge Kapitalanlage. Eine Kapitalanlage, für die er die deutschen Geschäftsleute bewunderte, wenn sie bei dem hohen Kurs der D-Mark solche Gelegenheiten wahrnahmen. Der Fürst benützte das Haus während seiner Besuche in London, bewirtete seine Geschäftsfreunde dort und sparte auf diese Weise eine Menge von dem Geld, das er sonst in Hotels und Restaurants ausgegeben hätte. Die Grundstückspreise in diesem Stadtteil stiegen zweifellos

    - 197 -
    weiter, und alles sprach dafür, daß seine Kapitalanlage in zwanzig Jahren einen schönen Gewinn abwerfen würde. Das veranlaßte mich, George zu fragen, weshalb er selbst sich eine Eigentumswohnung in Mayfair – der teuersten Wohngegend Londons – gekauft habe, anstatt das gleiche zu tun.
    »Ach«, erwiderte George, »weil ich der Sohn armer Eltern bin. Ich will die Freuden genießen, die man für Geld kaufen kann. Ich will jeden Abend nach Hause gehen und unter den reichsten Männern Englands schlafen. Ich brauche diese Bestätigung.« Er lachte.
    »Das stimmt ja gar nicht«, sagte Tessa. »Es ist meine Schuld. Wir wohnen in Mayfair, weil ich nicht nach Pimlico ziehen wollte.« Nun lachten wir alle. Offensichtlich enthielten beide Erklärungen etwas Richtiges. Aber die Wahrheit hinter den vorgeschobenen Gründen war, daß das kinderlose Paar niemanden hatte, für den sich’s lohnte, Kapital anzulegen.
    Während des Schweigens, das folgte, wünschte ich, ich hätte nicht nach Immobilien gefragt.
    In der Nähe unseres Ziels fanden wir keine Parklücke, wir blieben aber bei George, bis dieser ein oder zwei Ecken weiter den Rolls parken konnte. Es war eine kalte Nacht, und die Straßenlaternen tauchten die leeren Straßen in ein grimmiges Blau, das sie noch kälter erscheinen ließ. Das wechselte abrupt, als wir das Haus betraten. Die erhitzten Anstrengungen der Gäste, die hellen Lichter, die überfüllten Räume, die Wärme der Körper und der Lärm und die Aufregung waren elektrisierend. Die Vorstellung eines Drinks auch.
    Es war eine große Party. Wohl an die hundert Leute ließen sich durch das Haus treiben, mit lauten, selbstbewußten Stimmen, lachend und schwatzend, zwischendurch auch ihre Drinks kippend. In dem größten Raum tanzten ungefähr ein Dutzend Leute zur Musik einer kleinen Band, und dort

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