Gedrillt
Unterhaltung.
Daphne Cruyer, ihrer Küchenpflichten ledig und der Sorge, das Essen zu servieren, durch Jenkins enthoben, war zum erstenmal Gast bei einer ihrer eigenen Dinner-Partys. Sie schien das zu genießen. Auch Dicky schien die Gelegenheit, den Gastgeber zu spielen, zu genießen. Er strahlte während des ganzen Abends, außer als Jenkins ihm aus einer schweren japanischen Schüssel Krabbensuppe nachschöpfen wollte und dabei etwas
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davon über ihn vergoß. Selbst da sagte Dicky nur: »Mann, Jenkins, passen Sie doch auf!«, wenn auch ziemlich laut.
Kurz nach diesem Zwischenfall hörte ich Daphne den offenbar seiner Bewegungen nicht mehr ganz mächtigen Jenkins laut flüsternd instruieren, nicht zu versuchen, den Lachs rings um die Tafel zu servieren. Er solle vielmehr den ganzen Fisch vor Dicky hinstellen. Es muß gesagt werden, daß Jenkins das nicht gutwillig tat. Er knallte die Platte so heftig auf den Tisch, daß die Bestecke klapperten.
»Ich bin hinsichtlich des zehnten Zusatzes zur Verfassung vollkommen der Meinung Jeffersons«, sagte Dicky eben, als der Fisch so dramatisch vor ihm ankam. Er hatte sein Ende der Tafel – das heißt mich und Harry, denn die Damen an seinen beiden Seiten bemühten sich unterdessen zu hören, was am anderen Ende des Tisches Daphne sagte – mit seinen Anschauungen über den Föderalismus erquickt.
Dicky starrte den neu eingetroffenen Lachs beinahe bestürzt an. Teilweise mögen diese Verwirrung die riesigen blaßgrünen Schuppen ausgelöst haben, die der Fisch trug, obwohl sie sich bei näherem Hinsehen als waffeldünne Gurkenscheiben entpuppten, die mühsam in überlappenden Reihen angebracht worden waren. Dicky blickte auf und sah Daphne, die ihn vom anderen Ende der Tafel her mahnend anstarrte und energische sägende Handbewegungen machte. Er blickte zum Feinen Harry, der mit einem unergründlichen Lächeln etwas murmelte, dem zu entnehmen war, daß er als
Regierungsangestellter sich nicht berechtigt fühlte, eine Meinung zu den Rechten der Einzelstaaten zu äußern.
Dicky mußte sich damit zufriedengeben, denn inzwischen fesselte die Aufgabe, den pochierten Lachs zu zerlegen, seine ganze Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, was Dicky zu dem Versuch bestimmte, den Fisch durchzuschneiden, anstatt dessen Fleisch von den Gräten zu nehmen; vielleicht hatte er Daphnes mimische Anweisung zu buchstäblich genommen.
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Aber er entdeckte bald, daß das Rückgrat selbst eines zu lange gekochten Lachses nicht leicht mit einem silbernen Servierlöffel zu durchtrennen ist. Beträchtlicher Kraft weichend – denn stark war Dicky –, schien der Kopf von der Servierplatte zu gleiten, sich unter den Blumen zu verstecken und Dicky vorwurfsvoll anzusehen.
Daphne zog, Dicky beobachtend, die Aufmerksamkeit der Tafelrunde an sich, indem sie plötzlich einen Ort im Norden von London zu beschreiben begann, wo sie auf künstlichem Schnee Skilaufen lernte. Alle Gesichter wandten sich ihr zu.
Ihre Stimme hatte einen gewissen schrillen Ton, vielleicht weil die Skisaison vorbei war. Als fiele ihr das plötzlich ein, sagte sie, sie nähme sommers wie winters da Unterricht, damit sie im nächsten Jahr wirklich in Form wäre. Nur Tessa, die zu meiner Rechten saß, sah hin, als der Kopf abging. Sie sagte: »Was für ein prächtiger Fisch. Hast du den selbst gefangen, Dicky?«
Dicky lächelte grimmig, und der unbeugsame Jenkins tat desgleichen, wie ich bemerkte, als ich ihn nun am Büffet lümmeln und von dort aus Dickys Bemühungen begutachten sah. »Das ist kein Zuchtlachs«, sagte Daphne. »Der ist wild.«
»Wäre ich auch, Liebste«, sagte Tessa, sich ihr wieder zuwendend.
Daphne zeigte ihr ein frostiges Lächeln. Tessa war angeblich vor ein paar Jahren in eine heiße Affäre mit Dicky verwickelt gewesen, und Daphne hatte dies nicht vergessen.
»Jenkins«, flötete Daphne in Kindergärtnerinnenstimme,
»würden Sie bitte den Wein einschenken!« Und weil Daphne so viele Jahre damit zugebracht hatte, Dicky zu überwachen, konnte sie eben noch rechtzeitig hinzufügen: »Nicht den Chambertin, Jenkins, den weißen Hermitage.« Und dabei geriet ihre Stimme schon ein wenig außer Kontrolle.
Wie Dicky später sagte, verbarg die wunderbare
Beurreblanc-Soße die kaputten Fischstücke vollkommen. Aber nach Tessas erklärter Meinung war es, als äße man in Watte
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gewickelte Stopfnadeln. Tessa war eine von den Damen, die nicht gerne Gräten in ihrem Fisch finden. Und doch
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