Gefährlich nah
Joe?«
»Ja«, sagte Dee, »aber nur den beiden. Und nur die Grundzüge, ja? Nur dass sie sich von Tom getrennt hat. Überlass den Rest Abbie. Es ist ihre Sache, wenn sie irgendjemandem die Details erzählen will.«
Und das wollte sie, wie es schien. Am Freitagmorgen wartete Hazel auf Dee und zog sie in ein leeres Klassenzimmer, sobald sie auch nur einen Fuß in die Schule gesetzt hatte.
»Ich bin gestern Abend bei Abbie vorbeigegangen«,
sagte Hazel. »Ich wollte eigentlich nicht«, fuhr sie fort, noch bevor Dee etwas dazu sagen konnte. »Mum meinte, ich sollte mich da nicht einmischen, aber Abbie hat mir schon die ganze Woche über SMS geschickt, dass sie mich treffen muss, und deswegen bin ich hingegangen und … ich weiß, das klingt furchtbar, aber jetzt wünschte ich, ich hätte es nicht getan.«
»Warum?«, sagte Dee, obwohl sie es sich ganz gut vorstellen konnte.
»Was sie mir da über Tom erzählt hat, was er getan hat - und sie hat die ganze Zeit geweint. Und am Schluss hab ich selbst noch angefangen. Dann konnte ich letzte Nacht nicht schlafen, weil ich über all das nachdenken musste.«
Dee nickte. Sie hatte selbst eine ganze Menge Schlaf eingebüßt in der letzten Zeit.
»Das Verrückte dabei ist«, sagte Hazel, »dass ich nicht einmal glaube, dass Abbie überrascht war. Über das, was Tom getan hat. Nicht wirklich. Ich hab das Gefühl, dass sie schon seit einer Weile wusste, was da im Gange war. Sie wollte es nur nicht wahrhaben, nicht daran denken.«
»Weil, solange die Dinge gut gingen«, warf Dee fast automatisch ein, »waren sie richtig, richtig gut, stimmt’s? So wie bei Dad und Lauren. Deswegen kommt man nicht davon weg. Und ich wette, dass Tom auf seine ganz eigene Weise sogar das meiste von dem, was er gesagt hat, auch ernst meinte.«
»Da könntest du recht haben«, sagte Hazel. »Er versucht
immer noch, sie zu erreichen, aber Abbie will nicht mit ihm reden.«
»Das heißt, er weiß noch immer nichts von dem Baby?«
»Ich glaube nicht«, sagte Hazel und schaute sich um, um sicherzugehen, dass keiner vorbeikam oder in der Tür herumlungerte. »Ihre Mutter hat für sie einen Termin vereinbart. In einer Klinik. Nur für ein erstes Gespräch - weißt du? Damit sie mal die Möglichkeiten durchgehen können.«
»Gibt es denn welche?«, fragte Dee. »Ich meine, sie schien sich ziemlich sicher …«
»Sie ändert ständig ihre Meinung«, sagte Hazel. »Fast jede Minute. Kann sich nicht vorstellen, es zu kriegen, kann aber andererseits auch den Gedanken an eine Abtreibung nicht ertragen. Ihre Eltern sagen, sie unterstützen sie bei allem, wofür sie sich entscheidet, und deswegen hat sie mich die ganze Zeit gefragt, was ich denke, was ich tun würde an ihrer Stelle. Aber wie kann man so was beantworten? Ich meine, den Gedanken an eine Abtreibung findet keiner schön, oder? Aber was ist, wenn sie das Baby kriegt und dann nicht damit fertig wird?«
»Wenn ihre Mutter ihr hilft?«
»Ich meinte nicht die praktische Seite«, sagte Hazel. »Ich meinte, mit Tom und so. Was ist, wenn er auf sein Umgangsrecht pocht? Das bereitet Abbie am meisten Kopfzerbrechen, glaube ich, dass sie gezwungen sein würde, Kontakt zu ihm zu halten.«
»Und was ist mit einer Adoption?«, fragte Dee. »Hat sie darüber schon mal nachgedacht?«
»Ja, aber sie glaubt, dass das noch schlimmer wäre als alles andere. Das Baby zu kriegen, es wegzugeben, zu wissen, dass es irgendwo aufwächst, und die ganze Zeit daran zu denken.«
Dee schüttelte den Kopf, als es klingelte. Hazel hatte recht. Es gab keine Antworten. Keine Lösungen. Jedenfalls keine einfachen.
»Da war noch was«, sagte Hazel, während sie den Gang entlanggingen. »Ich bin nicht sicher, ob ich es dir überhaupt sagen sollte, aber …«
»Sanjay«, sagte Dee. »Er war bei Abbie, stimmt’s?«
»Er ist gekommen, als ich gerade gehen wollte, ja. Aber er hat es dir ja offenbar gesagt, dann ist es also in Ordnung.«
Dee nickte. Sanjay war ganz offen gewesen. Er kannte Abbie schon seit Jahren und da konnte er sie doch jetzt nicht im Stich lassen, nicht wahr? Da würde nichts zwischen ihnen laufen, hatte er betont. Und er hatte vermutlich recht. Dennoch …
»Ich habe Sanjay gesagt, dass wir am besten Schluss machen«, sagte Dee. »Wenigstens für eine Weile.«
»Oh«, sagte Hazel, und das eine kleine Wort sollte Dee auffordern, fortzufahren, zu erklären.
»Ich schätze mal, dass ich nicht damit klarkomme, nur der Ersatz zu sein«, meinte Dee
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