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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Lidschatten besser aussehen würde als das grelle Zeug, das du normalerweise trägst«, sagte er, während er sie musterte. »Viel feiner, damit siehst du vornehm und elegant aus. Wir gehen übrigens ins The Boar und treffen uns da mit Paige und Leo.«
    »Super«, sagte Abbie und lächelte gequält.
    Paige war eine dreiundzwanzigjährige Schauspielerin, wenngleich sie momentan »pausierte« und als Kellnerin in Toms Hotel arbeitete. Leo war ihr Freund, was sie aber nicht daran hinderte, mit Tom zu flirten, wann immer sie sich trafen, was nach Abbies Ansicht viel zu oft war. Allerdings war das Flirten noch nicht mal das Schlimmste.
Sowie Tom mit seinen Freunden zusammen war, schien er sich zu verändern - entweder er ignorierte sie dann oder er stellte sie bloß. Oder vielleicht war sie auch nur albern und bildete sich das nur ein, wie Tom meinte.
    »Jetzt versuch mal, nicht so wie ein verängstigtes Kaninchen dreinzuschauen heute Abend, ja?«, sagte er, als er von der Schnellstraße abbog. »Paige und Leo sind total okay, also entspann dich und versuch, es zu genießen. Und erzähl nichts aus der Schule!«
    Das, dachte Abbie, war ein Teil des Problems. Sie hatte nicht viel, worüber sie sonst sprechen konnte, aber sie würde sich Mühe gehen. Tom zuliebe würde sie sich bemühen.
     
    »Ich gehe noch ein bisschen in den Park«, verkündete Kieran, während er Dee beim Aufräumen nach dem Abendessen half. »Ich treffe mich mit ein paar Freunden aus der Schule.«
    Er hatte schon Freunde! Leute, mit denen er sich treffen konnte. Eigentlich überraschte es Dee nicht. Kieran fand leicht Freunde und wirkte so selbstsicher und offen wie immer, so als wäre er völlig unberührt von dem, was geschehen war. So als hätte er die letzten paar Jahre einfach ignoriert und gestrichen. Als hätte er vergessen, dass es Lauren jemals gegeben hatte.
    »Willst du mitkommen?«, fragte er Scott nach einer auffordernden Kopfbewegung von Dee. »Da sind bestimmt auch ein paar Jungs aus deiner Jahrgangsstufe.«
    Scott schüttelte den Kopf und verzog sich nach oben in
das Zimmer, das er sich mit Kieran teilte und wo er sich wieder in der Fantasiewelt seiner Computerspiele verlieren konnte. Keine Ballerspiele, sondern komplizierte Simulationen, wo er ganze Städte baute und sie mit Familien bevölkerte, die der seinen so gar nicht ähnelten. Das war gut für ihn, hatte der Schulpsychologe gesagt. Er meinte, diese Spiele gäben Scott einen Ort der Sicherheit, an den er fliehen konnte, aber Dee war sich nicht sicher, ob Flucht die beste Taktik war. Über kurz oder lang würde Scott aus seinem Kokon herauskommen und den Tatsachen ins Gesicht sehen müssen, so wie sie es alle versuchten.
    Sie ging hinüber ins Wohnzimmer, wo ihre Großeltern saßen und lasen und ihr Dad mit stumpfem Blick auf den Fernseher starrte. Sein Gesicht wirkte grau und ausgelaugt. Er war erst sechsundvierzig, aber er wirkte in vielerlei Hinsicht älter als ihre Großeltern. Er blickte auf und lächelte, als sie hereinkam, was ihr Hoffnung gab, dass der alte Dad vielleicht doch plötzlich zurückkehren könnte. Sie setzte sich neben ihn aufs Sofa.
    »Und was hast du heute so gemacht?«, fragte sie.
    Er lächelte wieder, doch die Anstrengung einer Antwort schien zu viel zu sein, und er schwieg weiter, so wie auch beim Abendessen, ruhiggestellt von dem Medikamentencocktail, den ihm der Arzt verschrieben hatte.
    »Du hast mir ein bisschen im Garten geholfen, nicht wahr, Peter?«, sagte Gran, so als spräche sie mit einem kleinen Kind.
    Dad nickte und lächelte wieder wie ein verdammter Roboter oder ein Zombie. Nicht wie ein Mann mit einem
Doktortitel in Politikwissenschaft, ein Mann, der Bücher geschrieben und Vorlesungen vor ganzen Sälen voller Studenten gehalten hatte. Dee konnte es nicht ertragen, sie konnte es nicht ertragen, ihn in diesem elenden Zustand zu sehen. Sie stand auf, ging in die Küche und füllte sich ein Glas mit Wasser. Während sie trank, spürte sie, dass ihr jemand gefolgt war. Sie wandte sich um und sah ihren Großvater in der Tür stehen.
    »Das wird schon wieder«, sagte Granddad. »Er wird sich erholen. Ein Mensch kann sich von so was erholen.«
    »Aber nicht, solange er sich weiter selbst die Schuld gibt«, sagte Dee.
    »Dabei sollte ihm ja die Therapie helfen.«
    »Aber die hilft doch nichts, oder?«, sagte Dee.
    Sie hatten alles versucht. Psychologen, Psychiater, Selbsthilfegruppen, Einzeltherapie, Familientherapie. Nichts hatte etwas genutzt.

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