Gefaehrlich schoener Fremder
tiefe, kalte, etwas ungeduldig klingende Befehlsstimme jagte ihr mindestens soviel Angst ein wie der brutale Griff, mit dem sie so fest gegen den eindeutig männlichen Körper gedrückt wurde.
„So ist es besser." Der Unbekannte zog sie mit sich durch die Küche und strebte zielbewusst den kurzen Korridor entlang ihrem Schlafzimmer zu. Das grässliche Wort „Vergewaltigung", das Emily bisher noch nicht in den Sinn gekommen war, überfiel sie jetzt mit voller Wucht.
Von panischer Angst getrieben, trat sie nach dem Mann. Der fluchte derb, als ihr Absatz ihn am Schienbein traf. Er beugte sich und presste mit seinem Gewicht ihre Füße fest auf den Boden. Mit einer Handfläche hielt er ihr immer noch den Mund zu, während er sie mit seinem stahlharten Arm fast zerquetschte. Mit letzter Kraft konnte Emily gerade noch verhindern, ohnmächtig zu werden.
Mühelos hob der Fremde sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer, wo er sie an die Wand neben das einzige Fenster schob. Dann drehte er Emily, als wäre sie eine Lumpenpuppe, zu sich herum und hielt sie mit seinem eisenstarken Arm zwischen der Wand und seinem muskulösen Körper gefangen.
Während ihr Herz wie ein Dampfhammer schlug und sie herben Angstgeschmack im Mund spürte, konzentrierte sich Emily darauf, zu atmen und sich aufrecht zu halten. Nur nicht ohnmächtig werden! Verzweifelt suchte sie in ihrer Erinnerung nach irgendeinem der Befreiungsgriffe, die sie im Selbstverteidigungskurs für Frauen gelernt hatte.
Der Druck an ihrem Hals verminderte sich. Tief sog Emily den Atem ein und war auf sich selbst ärgerlich über das Gefühl von Dankbarkeit, das sie dabei durchzuckte.
Als nichts weiter geschah, siegte ihre Neugier über die Angst, und sie schlug die Augen auf. Aus dem gegenüberliegenden Haus drang schwaches Licht durch einen Schlitz in den Übergardinen. Als erstes sah Emily den schwarzen Vollbart, der die untere Hälfte des kantigen Männergesichtes und einen Teil des kräftigen Halses bedeckte. Wirres schwarzes Haar fiel in die tiefgebräunte Stirn und lockte sich über einem kragenlosen Hemd, das eng über Muskelsträngen der breiten Schultern und der wie ausgemeißelten Brust saß.
Emily schluckte, und augenblicklich verstärkte sich wieder der Druck auf ihrer Luftröhre. In panischer Angst, das Bewusstsein zu verlieren, wimmerte sie leise auf. Damit zog sie die Aufmerksamkeit des Mannes vom Fenster ab, und Augen, kalt wie Eis, schwarz wie alle Sünden der Hölle, bohrten sich in ihre.
„Versprechen Sie, nicht zu schreien, wenn ich meinen Arm wegnehme?"
Emily nickte heftig. Sie hätte so ziemlich alles versprochen, nur, um wieder ungehindert atmen zu können.
„Das würde Ihnen auch wenig nützen", bemerkte er mit zynischem Lächeln.
„Niemand würde Sie hören. Und falls doch, würde keiner etwas deswegen unternehmen."
Emilys Herz sackte in ein tiefes Loch. Bei den Hansons, ihren Nachbarn linker Hand, gab es regelmäßig samstags abends Streit, bei dem die Fetzen flogen.
Niemand, Emily eingeschlossen, hatte jemals etwas deswegen unternommen.
Trotzdem...
„Denken Sie lieber nicht daran", kam ihr die scharfe Warnung zuvor.
Im fahlen Lichtstrahl, der durch den Schlitz zwischen den Vorhängen hereindrang, sah Logan Emily Osborns Todesangst. Andere einzuschüchtern war mit das erste gewesen, was er in dem Spiel, das Überleben heißt, gelernt hatte. In seiner Branche zahlte es sich aus, Leuten Angst einzujagen.
Der Ekel darüber, gezwungenermaßen diese Frau zu misshandeln, stieß ihm sauer auf. Eigentlich erstaunlich, dass ich noch Skrupel kenne, dachte er.
Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Beruf aufzugeben - solange das noch so ist.
Nur leider ging das im Augenblick nicht.
Was war nur mit Jamie geschehen? Sein Blick huschte zurück zu dem hell erleuchteten Haus auf der anderen Straßenseite. War sein alter Partner in die Falle geraten, als er zum verabredeten Treffen mit ihm kommen wollte? Oder hatte er die Gefahr erkannt und sich deswegen nicht blicken lassen? Oder aber steckte Jamie gar selbst hinter der abgekarteten Sache?
Logan fühlte sich hin-und hergerissen zwischen der Loyalität dem alten Freund gegenüber, dem Impuls, sich sofort auf die Suche nach ihm zu machen, und der Notwendigkeit, zu warten, bis er die Situation einigermaßen im Griff hatte. Eine harte Wahl. Aber harte Entscheidungen traf er schon seit Jahren; das hatte ihn am Leben gehalten.
Plötzlich stellte er fest, dass er den Mann, der er geworden war,
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