Gefaehrliche Begierde
Burlington vor. Es gab so viele Titel, dass sie die Grafen von den Viscounten nicht mehr unterscheiden konnte.
Harts Schwester Harriet, Lady Granville, liebevoll bekannt als Hary-O, begrüßte sie freundlich. »Wie nett, Sie zu sehen. Ich hoffe, Lady Longford ist auch mit in die Stadt gekommen. Da unsere Großmütter so gute Freundinnen sind, nehme ich an, wir werden einander oft sehen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich meinen Bruder entführe? Ich brauche ihn im Esszimmer, wenn wir diese Menschenmenge jemals unterbringen wollen.«
Hart brachte Alexandra zu einer Gruppe junger Damen, mit denen sie bekannt war: Deborah Mitford, Elizabeth Cecil und Lucy Lyttelson, Debütantinnen, die in dieser Saison vorgestellt wurden und mit ihren Müttern gekommen waren. Als Hart sie abholte, warfen sie ihr eifersüchtige Blicke zu. Es gab nur sehr wenige Herzöge im Königreich, und Hart Cavendish stand, was Reichtum und Stellung betraf, an zweiter Stelle, gleich hinter dem Königshaus.
Schließlich öffneten sich die großen Doppeltüren des Esszimmers, und zwei Lakaien in Devonshire Livree standen zu beiden Seiten der Tür. Das schien das Signal zu einem Rennen zu sein, denn die jungen Damen kamen angelaufen, um einen Platz neben einem passenden Tischgenossen zu finden, wie ihre Mütter es ihnen offensichtlich geraten hatten.
Alexandra war etwas zurückhaltender. Sie wedelte lässig mit ihrem Fächer und sah zu, wie sich die anderen Gäste mit den Ellbogen einen Weg in das Esszimmer bahnten. Als sie die Doppeltüren erreichte, war sie beeindruckt von der Größe des üppig ausgestatteten Raumes und der Länge der Tische. Es gab zwei Tische, jeder etwa vierzig Fuß lang, mit herrlichem Damastleinen, georgianischem Silber und Kristallgläsern aus Venedig. Hinter jedem zweiten Stuhl stand ein Lakai, bereit, seine Aufmerksamkeit den beiden Leuten zu widmen, für die er zuständig war.
Sie entdeckte ihren Bruder und Christopher Hatton, die bei den jungen Erbinnen der gehobenen Gesellschaft saßen. Keiner der beiden hatte offensichtlich an sie gedacht. Dann entdeckte sie, dass der Stuhl neben Nicholas Hatton frei war, und sie fragte sich, ob er ihn wohl für sie freigehalten hatte. Doch dann kam ihr die Erkenntnis, dass er bei den Damen eine persona non grata war. Er wurde wegen des Jagdunfalles und des darauf folgenden Skandals absichtlich geschnitten.
Ihr Herz machte einen Sprung. Wie konnten sie nur so scheinheilig und eingebildet sein? Sie hob trotzig das Kinn und ging auf dem kürzesten Weg zu Nick Hatton hinüber. Er stand sofort auf und rückte ihr galant den Stuhl zurecht. Sie setzte sich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, dabei erwartete sie, dass er schrecklich wütend auf sie war.
Er war jedoch nur belustigt. »Du hast ein viel zu weiches Herz, Alex«, murmelte er, so dass nur sie es hören konnte. »Es ist nicht nötig, Mitleid mit mir zu haben.«
»Ich kann nicht glauben, dass sie dich so behandeln«, flüsterte sie verärgert. »Sie wissen doch, dass es ein Unfall war.«
Nick lachte leise. »Abgesehen davon, dass du ein sanftes Herz hast, bist du auch noch erstaunlich naiv. Die Damen der gehobenen Gesellschaft schneiden mich nicht, weil ich meinen Vater erschossen habe, ich werde ausgestoßen, weil ich keinen Teil des Hatton-Erbes bekommen habe.«
Sie saß benommen neben ihm, während sie seine Worte verdaute, und sie begriff, dass er die Wahrheit sagte. »Es sind die Mütter und die Töchter, die sich hier wie wild aufführen! Die Männer scheinen sich ja einigermaßen zivil zu benehmen. Ich habe gesehen, dass Robert Banks Jenkinson mit dir gesprochen hat.«
»Der Graf von Liverpool war Kriegsminister, ehe er Premierminister wurde.« Nick schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann änderte er seine Meinung.
»Offensichtlich geht dem Grafen sein Ehrgeiz über alles.«
»Ehrgeiz ist bei einem Mann eine bewundernswerte Eigenschaft, Alex.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und was würdest du als bewundernswerte Eigenschaft bei einer Frau ansehen?«
»Loyalität... etwas, das du im Überfluss besitzt. Mut..., den du zeigst, wenn du dich absichtlich neben mich setzt.«
»Blödsinn! Ich habe ganz einfach ein trotziges Wesen und genieße es, der gehobenen Gesellschaft auf die Füße zu treten.«
Sein Mund verzog sich. »Satansbraten.«
Oh Gott, Nick, sieh mich doch nicht so an. Warum zum Teufel kannst du nicht deine Skrupel beiseite schieben und mich heiraten? Alex zügelte ihre Gedanken und senkte
Weitere Kostenlose Bücher