Gefaehrliche Begierde
möglich, dass er seinen Vater ermordet hatte? Nein, nein, Mord war die Tat eines Feiglings, und Nicholas war der mutigste Mann, den sie je gekannt hatte. Sie begann, mit offenen Augen von dem Kuss zu träumen, den er ihr heute Abend gegeben hatte, er war zärtlich und wild zugleich gewesen. Ein Abschiedskuss!
Nachdem Alex eingeschlafen war, beherrschte Nick ihre Träume, und es schien, als wäre sie wirklich in der Lage, seine Zuneigung zu gewinnen. Er küsste sie stundenlang, auf alle Arten, die sie sich je erträumt hatte: zärtlich und neckend, überzeugend und verspielt, sinnlich und sündig. Dann wieder wurde sein Mund rau und gierig, heiß und hungrig, leidenschaftlich und besitzergreifend. Schließlich zog er sich von ihr zurück, und sie hörte sich selbst flehen: »Bitte, Nick, verlass mich nicht.« Er hörte jedoch nicht auf sie, und als er von ihr ging, sah sie, dass er einen scharlachroten Rock und ein Gewehr trug. Ein Gefühl der Verzweiflung überkam sie.
Ein paar Stunden vor der Morgendämmerung war Nicholas in das Hatton-Haus in der Curzon Street zurückgekehrt. Er hatte noch genügend Zeit, seine feuchte, zerknitterte Abendkleidung auszuziehen, zu baden, sich zu rasieren, zu frühstücken und dann bei dem Sekretär von Prinz Frederick, Sir Herbert Taylor, im Kriegsministerium der Horse Guards in Whitehall zu erscheinen.
Nachdem er sich vorgestellt und den Namen des Premierministers erwähnt und Taylor erklärt hatte, dass er im letzten Jahr die Horse Guards mit Pferden beliefert hatte, erwarb Nick Hatton für zweihundert Pfund ein Offizierspatent als Leutnant der Horse Artillery.
»Der Krieg verschlingt eine Menge Geld, mein Junge, und wir brauchen dringend Kämpfer. In Wellingtons letzter Mitteilung an Lord Bathurst hat der neue Kriegsminister enthüllt, dass die spanischen Soldaten so heftig geraubt, gemordet und gebrandschatzt haben, dass er sie in Unehren entlassen musste.«
Nick erfuhr, dass er unter General Rowland Hill würde dienen müssen, der im Augenblick in Spanien kämpfte. Jede Woche verließen zusätzliche Truppen Portsmouth, und er konnte sofort abreisen. Er ging in das Kriegsbüro, wo er seine Uniform und Ausrüstung erhielt.
Als er wieder in der Curzon Street war, stellte er fest, dass Christopher gerade erst aufgestanden war. Sein Zwillingsbruder war für einen Ausritt gekleidet, er wollte sich in der Rotten Row gleich am Ende der Straße mit seinem Freund Rupert treffen.
Kit betrachtete Nicks Kleidung, die ihm verriet, dass sein Zwillingsbruder nicht erst jetzt nach Hause zurückgekehrt war. »Wo bist du denn letzte Nacht gewesen?«
»Ich habe einen Freund besucht.«
»Ich bin überrascht, dass du überhaupt noch Freunde hast, wo du doch jetzt eine persona non grata bist«, scherzte Kit. »Ich erinnere mich an nichts mehr, was nach Mitternacht passiert ist. Rupert muss mich nacfi Hause und ins Bett gebracht haben. Gerade ist die Post angekommen, und wie es scheint, hat John Eaton, wie versprochen, die Abrechnung geschickt. Ich habe gestern Abend Hart Cavendish nach ihm ausgefragt. Wie es scheint hat Eaton so viele reiche Kunden, dass er hier in London ein Büro eröffnet hat. Man hat ihm den Spitznamen Korkenzieher gegeben, weil er aus allem Geld herausholen kann. Also kannst du aufhören, dir Sorgen zu machen und wie eine alte Frau zu jammern.«
»Nun, ich bin erleichtert, dass du auch ohne meine Ratschläge auskommst, Kit«, meinte Nick gut gelaunt. »Denn ich werde in ein oder zwei Tagen abreisen.«
»Wohin willst du?«
»Nach Portsmouth.«
»Ich denke, Brighton hat viele Vorzüge, aber was zum Teufel gibt es in einem Ort wie Portsmouth?«
»Ein Schiff, das mich nach Bilbao bringen wird. Ich bin in die Armee eingetreten.«
»Was du nicht sagst!« Als Kit erkannte, dass Nick keinen Spaß machte, schlug er mit der Peitsche gegen seine Reitstiefel. »Nun, das ist sehr selbstsüchtig von dir. Wie zum Teufel kannst du von mir erwarten, Hatton Hall ganz alleine zu führen? Ein Landbaron zu sein bedeutet, eine große Verantwortung zu haben.«
»Kit, wir wollen doch einmal ehrlich sein. Du lehnst meine Ratschläge ab und findest es unangemessen, wenn ich mich einmische.« Verantwortung zu lernen, wird dir sehr gut tun. »Wir waren doch überein gekommen, uns nicht in die Angelegenheiten des anderen einzumischen.«
»Eigentlich ist es von deiner Seite aus gesehen ein hervorragender Entschluss. Ein Mitglied des Militärs verkörpert das männliche Ideal der
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