Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
dienten dem Ziel, die nationalsozialistische Weltanschauung in möglichst vielen Bereichen durchzusetzen. Dazu gehörte die „Säuberung der Volksgemeinschaft“. So diente das Gewohnheitsverbrechergesetz vor allem der Ausmerzung von „verbrecherischen Schädlingen“. In der Gesetzesbegründung wurde der „Gewohnheitsverbrecher“ mit einem nicht näher beschriebenen „Hang“ zum Verbrechen beschrieben. Eine im Diffusen gehaltene Tätergruppe wurde offensichtlich damals schon als hervorragend geeignet angesehen, um menschenverachtende Begrifflichkeiten einzuführen und menschenrechtsverletzende Maßnahmen umzusetzen.
Cineastischer Weitblick
1931 erscheint in den Kinos der Film „M – eine Stadt sucht einen Mörder“. 7 Der Regisseur Fritz Lang schuf damit nicht nur einen der ersten Tonfilme, man kann in diesem Film auch eine Ahnung des kommenden Dritten Reichs erkennen. In einer Stadt verbreitet ein unbekannter Kindermörder Angst und Schrecken. Und da er nicht gefasst werden kann und immer weitere Kinder ermordet werden, nimmt neben der Polizei auch die Unterwelt seine Verfolgung auf. Zum einen steht eine hohe Belohnung in Aussicht, zum anderen stören die intensiven polizeilichen Maßnahmen die eigenen Geschäfte. Die Nervosität der Bevölkerung wächst, man steigert sich in gegenseitige Verdächtigungen und anonyme Anzeigen hinein.
Der Film zeigt die gesellschaftliche Struktur jener Zeit: Unterwelt und Polizei arbeiten mehr oder weniger mit ähnlichenMethoden, sie „kooperieren“ beinahe. Der Staat wird weitgehend unterwandert, man verspricht, wieder Ordnung zu schaffen; ein erster Schritt wäre da die Eliminierung des besonders Bösen, des Kindermörders. Im Grunde wendet sich der Film gegen Lynchjustiz, er tritt für die Einhaltung rechtlicher Grundregeln ein. Die Gerichtsverhandlung, die in einer späteren Fassung des Films nicht mehr enthalten ist, nimmt die Praxis des Volksgerichtshofs vorweg: „Hier kommst du nicht mehr raus (…). Unschädlich bist du nur, wenn du tot bist.“ Am Ende des Films lässt Lang die Mutter eines Kindes warnend rufen: „Man muss eben noch besser auf die Kinder achtgeben … Ihr!“ Damit könnte auch die Vorsicht gegenüber dem Nationalsozialismus gemeint gewesen sein, vor dem die Demokratie geschützt werden muss. 8 Und Fritz Lang zeigt, wie Politik Menschen als Mittel zur Machtausübung missbraucht. Sexualstraftäter waren damals schon eine besonders geeignete Gruppe, um (noch) verdeckte Ziele zu verfolgen.
Anwendung der Sicherungsverwahrung
Die Justiz wandte im Dritten Reich die Sicherungsverwahrung zunächst sehr umfangreich an; schon damals bestand die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung. Später nahm die Zahl der Anordnungen ab, die Sicherungsverwahrung wurde letztlich durch die Todesstrafe ersetzt. Die folgende Abbildung stellt die Fallzahlen der damaligen Anordnung der Sicherungsverwahrung dar.
Anordnung der Sicherungsverwahrung 1934 – 1942 (nach Hellmer, 1961)
Unabhängig davon, dass das Gewohnheitsverbrechergesetz auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes ohne Einbezug des Parlaments von der Reichsregierung erlassen worden war, habendie Alliierten nach dem Krieg die Vorschriften über die Maßregeln der Besserung und Sicherung im Wesentlichen weiter gelten lassen. Gestrichen wurden lediglich die Maßregel der Kastration, die nachträgliche Sicherungsverwahrung und die Todesstrafe.
Strafrechtsreformen
Geändert wurde das Recht der Sicherungsverwahrung 1969 mit dem 1. Strafrechtsreformgesetz. Zuvor war 1953 die Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche und Heranwachsende aus dem Jugendgerichtsgesetz herausgenommen bzw. nicht wieder aufgenommen worden. Man vertraute inzwischen wieder eher den erzieherischen Möglichkeiten, nachdem die Nationalsozialisten noch 1939 auch für diesen Personenkreis die Sicherungsverwahrung eingeführt hatten.
Untersuchungen hatten ergeben, dass vor allem eher lästige denn gefährliche Täter in der Sicherungsverwahrung untergebracht waren. Siebzig bis achtzig Prozent der Verwahrten wurden wegen eher geringfügigen Eigentumsdelikten zum Teil über Jahre verwahrt. Dies hatte im Reformklima der 68er Bedenken gegen diese Maßnahmen hervorgerufen. Das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts von 1969 schränkte die Sicherungsverwahrung deutlich ein. Die Voraussetzungen für die Anordnung wurden angehoben, die maximale Verwahrdauer bei erstmaliger Verhängung auf zehn Jahre festgesetzt
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