Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben
eine Lesebrille in der einen und die FAZ in der anderen Hand.
»Ja, bitte?«, sagte sie freundlich. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hallo«, sagte ich. Ich war so verblüfft über ihr akzentfreies Deutsch und über ihre völlig normale Erscheinung, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich eigentlich sagen wollte.
»Ãh, ich ⦠ich wollte Aziza besuchen«, stammelte ich.
»Und wer sind Sie?«, fragte Azizas Mutter.
»Ich bin Naâ¦Â«
Oh mein Gott. Ich war so damit beschäftigt gewesen, mich unkenntlich zu machen, dass ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen war, mir einen arabischen Decknamen zu überlegen. Schnell, Deckname â jetzt! Ein Name, der mit Na anfängt. Aber das Einzige, was mir einfiel, war das chemische Element Natrium. Und das war ja nun mal total bescheuert. Aber meinen richtigen Namen konnte ich auch nicht verraten. Ich erlitt eine akute Hirnblockade, während mich Azizas Mutter weiter freundlich anschaute.
»â¦tischa«, hörte ich mich sagen.
»Natischa?«, wiederholte Azizas Mutter.
Ich war ja so unfassbar blöd. Bei Natischa kam natürlich absolut niemand auf die Idee, dass ich Natascha hieÃ. Zum Glück sah man mir nicht an, dass ich knallrot wurde, als ich nickte.
»Also, Natischa. Aziza ist leider nicht da.«
»Aber wo ist sie denn?«, fragte ich. »Sie war schon ewig nicht mehr an der Uni.« Obwohl ich schwitzte, fing ich im zugigen Hausflur an zu frieren, weil der eisige Wind die SchweiÃschicht sofort abkühlte. Und das alles unter zwei Schichten Polyester. Lecker.
»Ist Ihnen kalt?«, fragte Azizas Mutter.
»Ein bisschen«, bibberte ich.
»Kommen Sie erst mal rein.« Sie führte mich in die Küche. »Wollen Sie einen heiÃen Tee zum Aufwärmen?« Sie zeigte auf eine Kanne, die auf einem Stövchen stand.
»Oh ja, gerne«, sagte ich. Ein Mann kam herein, Halbglatze, Wollpullover, Hemd darunter, Jeans, Pantoffeln.
»Das ist mein Mann«, stellte Azizas Mutter ihn vor. »Das ist Natischa, eine Freundin von Aziza.«
Azizas Vater warf mir, beziehungsweise meinem Outfit, einen erstaunten Blick zu. »Aha«, machte er. »Interessant. Ich wusste nicht, dass Aziza auch ⦠religiöse Freundinnen hat.« Er ging zur Kaffeemaschine, legte ein Kaffeepad ein und zapfte sich einen frischen Kaffee.
»Ich hänge immer noch an der Einleitung«, sagte er zu seiner Frau. »Du musst mir gleich mal helfen.«
»Der Herr Professor schreibt sein erstes Buch«, lächelte Azizas Mutter und stellte mir die Tasse mit dem Tee hin. Ich nahm die Tasse â und hatte plötzlich ein Riesenproblem. Wie sollte ich den denn jetzt bitte schön trinken? Ich hatte einen Vorhang vor dem Mund! Nahm man die Tasse mit ins Zelt? Spätestens jetzt würde jedem auffallen, dass ich keine Ahnung hatte, wie man sich in dem Ding verhielt.
»Sie können ruhig die Burka ablegen«, sagte Azizas Mutter freundlich.
»Ich kann auch aus dem Zimmer gehen, wenn Ihnen das lieber ist«, bot Azizas Vater an.
»Nein danke. Ist schon gut«, sagte ich schnell. »Ich wollte einfach nur wissen, wo Aziza abgeblieben ist. Dann bin ich auch schon wieder weg.« Ich hielt die Tasse einfach fest und benutzte sie als Handwärmer.
»Sie ist mit ihrem Freund weggefahren, um an ihrer Diplomarbeit zu arbeiten«, sagte Azizas Vater.
»Sie wissen das?«, fragte ich verblüfft.
»Ja, natürlich«, sagte die Mutter. »Aziza hat vor uns keine Geheimnisse.«
Ich begann mich über mich selbst zu ärgern. Das lief alles andere als nach Plan. Jetzt fing ich erst richtig an zu schwitzen. »Wohin sind die beiden gefahren?«, fragte ich so harmlos wie möglich.
»Nach Spanien. Sie wollte dort für ihr Diplomarbeitsthema recherchieren. Einem Vergleich zwischen Auswirkungen der Zuwanderung aus arabischen Ländern auf die Wirtschaft in Spanien und Deutschland.«
»Ach so«, sagte ich dümmlich. »Davon hatte sie mir gar nichts erzählt.«
»Aus welchem Land kommen Sie ursprünglich?«, fragte der Vater.
»Ãh. Arabien?«
»Saudi-Arabien?«
Ich nickte. Der Mann sagte was zu mir in irgendeinem Kauderwelsch und ich verstand nur Bahnhof.
»Salem aleikum«, sagte ich auf gut Glück. Die beiden warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich bekam einen SchweiÃausbruch allererster
Weitere Kostenlose Bücher