Gefaehrliche Gefuehle
überlege, wie ich es meinen Eltern sage, sodass sie einverstanden sind.«
Er betrachtete mich nachdenklich, strich mir sanft über die Wange und seufzte: »In Ordnung. Aber überleg schnell!«
Ich atmete erleichtert auf und fiel ihm um den Hals. »Danke!«
Er nahm meine Arme und machte mich los. »Aber bis wir es deinen Eltern gesagt haben, hören wir auf damit. Mit dem Küssen und den Berührungen und alldem.« Er stand auf und ging zwei Schritte zurück. Er sah streng und entschlossen aus und ich sah ein, dass ich ihn nicht umstimmen konnte. »Ist in Ordnung«, sagte ich. »Aber Kampftraining können wir machen, oder?«
»Kampftraining können wir machen«, bestätigte er und lächelte. »Also los. Die Übung war noch nicht zu Ende.« Er zeigte mir, wie ich meine Arme von unten zwischen die Arme des Angreifers führen und mit den Daumen in seine Augenhöhlen drücken sollte, um mich aus dem Würgegriff zu befreien. Das übten wir so lange, bis ich den Bewegungsablauf flüssig hinbekam. Dieses Training war wirklich unglaublich. Interessant. Und spannend. Ich wusste, ich durfte ihn nicht mehr küssen. Und nicht mehr über den Arm streicheln. Oder ihn sonst wie unangemessen berühren. Und er mich auch nicht. Aber wir wollten es. Wir wollten es beide! Energie schoss zwischen uns hin und her und lud die Atmosphäre auf. Es knisterte und funkte um uns herum. Noch nie fand ich ihn so unwiderstehlich wie in diesem Moment. Er simulierte einen Angriff von der Seite, ich führte langsam die Abwehrbewegungen aus, bis ich es irgendwann nicht mehr aushielt und ihm um den Hals fiel und ihn so leidenschaftlich küsste, als hätte ich ihn ein Jahr nicht gesehen. Ich war ja noch nie besonders vernünftig gewesen, aber jetzt, wo ich das allererste Mal so richtig verknallt war, war ich regelrecht unzurechnungsfähig. Und das gefiel mir. Außerordentlich. Enzo zögerte zunächst, zog mich dann aber enger an sich und erwiderte meinen Kuss. Meine Knie wurden weich und in meinem Kopf ging ein silvesterwürdiger Funkenregen herunter. So gerne hätte ich genau in diesem Moment die Zeit angehalten. Ich wollte einfach nur für immer mit ihm knutschen.
»Unmöglich, dieses Mädchen«, sagte Enzo etwas heiser, als wir uns dann doch voneinander lösten. »Wo soll das nur hinführen? Wir werden noch einen Riesenärger bekommen.«
»Ich lass mir was einfallen, Enzo, okay?«, flüsterte ich atemlos und küsste ihn erneut.
4
W as ist denn hier los?«, fragte ich erstaunt, als wir am Montagmorgen auf das Schultor zurollten. Fernsehübertragungswagen blockierten fast die Straße, alle Parkplätze auf dem Seitenstreifen waren belegt, vor dem Eingangstor drückte sich eine Traube Journalisten und Kamerateams herum. »War ja nicht anders zu erwarten«, sagte Enzo. »Nach dem Zeitungsbericht gestern.«
Ich schluckte. Daran hatte ich ja gar nicht gedacht! Dass meine Schule jetzt im Mittelpunkt des Medieninteresses stehen würde. Hausmeister Schmitz stand am Tor und winkte die Autos, in denen die Schülerinnen gebracht wurden, ungeduldig auf den Schulhof. Im Vorbeifahren schaute ich mir die Journalisten an, ihre verfrorenen Gesichter, die behandschuhten Finger mit den Mikrofonen, die sie in unsere Richtung hielten und dabei Fragen auf den Schulhof riefen, in der Hoffnung, einen O-Ton zu bekommen. Als wir vorbeirollten, starrten sie neugierig in unseren Wagen. Mir wurde mulmig. »Hast du den Zeitungsartikel gelesen?«
»Ja«, antwortete er ungewöhnlich einsilbig.
»Enzo«, bohrte ich nach. »Was hat drin gestanden? Wurde ich erwähnt?«
»Nein, nicht namentlich«, sagte er. »Da stand, dass eine Klassenkameradin des Opfers bei der Aufklärung geholfen hat, aber dieser Kommissar Söderberg hat klargestellt, dass es mehr ein Zufall gewesen war.«
Ich atmete erleichtert auf. »Zum Glück ist er so ein ehrgeiziger Blödmann«, sagte ich. »Er darf ruhig alle Lorbeeren einheimsen, solange mich die Presse in Ruhe lässt. Was haben sie sonst noch geschrieben?«
»Nicht viel mehr. Dass Täter und Opfer hier auf die Schule gegangen sind und dass es um Eifersucht gegangen sei.«
»Kein Wunder, dass sich die Medien wie die Geier darauf stürzen«, murmelte ich, »wenn sich die Reichen und Schönen vom katholischen Privatgymnasium gegenseitig umbringen.«
Vor der weißen Eingangstür stand unsere Schulleiterin Meinhilde von Cappeln und winkte die Schülerinnen hindurch, von denen sich manche noch schnell durch die Haare strichen und den Lippenstift
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