Gefährliche Ideen
kann, und es nicht mit Dingen belasten, die es aufgrund ihrer Kompliziertheit dort nicht unterzubringen vermag, belohnt es uns mit kleinen Dosen Dopamin. Dies löst eine beeindruckende Reaktion in uns aus. Wir haben das
Gefühl
, wirklich etwas zu schaffen, wir fühlen uns intelligent und einfach rundum wohl. Da es sich aber gut anfühlt und wir uns auch gerne clever fühlen, beginnen wir, diese kleinen Momente des Hochgefühls mit »Kreativität« in Verbindung zu bringen. Einfache Kreativitätsübungen sind bestens dazu geeignet, diese Empfindungen eines Wohlgefühls auszulösen und die Dopamin-Zufuhr in Gang zu halten. Wärme und Zuneigung umgibt uns. Das Problem dabei: Es fühlt sich vielleicht nach Kreativität an, ist es aber nicht. Bisweilen ist es sogar das exakte Gegenteil.
Das Gehirn belohnt uns nämlich am meisten, wenn wir uns brav an die Regeln halten und es nicht dazu auffordern, mit seinen Grundüberzeugungen zu brechen. Müssen wir uns mit wirklich provozierenden Vorstellungen auseinandersetzen, so ist das Gehirn weit weniger erfreut, als wenn wir uns gut benehmen. Tatsächlich reagiert es dann recht verschnupft. Schluss mit Dopamin! Der Zustrom von angenehmen Botenstoffen wird gestoppt, und Stresshormone machen sich breit. Das Gehirn möchte uns mitteilen, dass es unzufrieden ist, und wenn es sich unwohl fühlt, soll es uns gefälligst genauso gehen. In dieser Hinsicht kann sich echte Kreativität beinahe körperlich abstoßend anfühlen! Es stimmt, die in Watte gepackte Wohlfühlkreativität fühlt sich besser an, aber diese Freude ist künstlich. Ganz schön gerissen, unser Gehirn.
Eine andere Herangehensweise an dasselbe Phänomen ist die bereits erwähnte
kognitive Flüssigkeit
. Es mag nicht sonderlich überraschend klingen, dass wir lieber an Dinge denken, die sich leicht verarbeiten lassen, als an solche, mit denen wir nur schwerumgehen können, doch wir unterschätzen oft, wie mächtig diese Neigung sein kann. Kognitive Flüssigkeit beeinflusst unzählige Teilbereiche unseres Denkens, darunter unsere Urteilskraft, unsere Fähigkeit, zwischen verschiedenen Alternativen auszuwählen, und unsere Kreativität. Was unsere Urteilskraft anbelangt, so haben Untersuchungen gezeigt, dass Aktien und Anleihen mit leicht aussprechbaren und leicht zu merkenden Namen besonders gern gekauft werden. Ebenso finden wir Aussagen, die leicht verarbeitet werden können, überzeugender als solche, die schwieriger zu begreifen sind. Kognitive Flüssigkeit wirkt wie eine Abkürzung zur Aneignung von Wissen; sie lässt uns instinktiv nach dem greifen, was uns vertraut ist. In der Frühphase menschlicher Entwicklung war dies überaus sinnvoll, wie der Psychologe Robert Zajonc betont: »Wenn du es kennst, hat es dich bislang nicht gefressen.«
Kognitive Flüssigkeit bedeutet, dass das Gehirn sich von Dingen angezogen fühlt, an die es sich gewöhnt hat. Bekannte Botschaften lassen sich leicht verarbeiten, daher entwickelt das Gehirn dafür eine Präferenz. Was in leicht verständlicher Sprache geschrieben oder erzählt wird, versteht das Gehirn nicht nur schneller, sondern misst ihm auch eine größere Bedeutung bei. Alles, was sich in bestehende Denkmuster einfügt, wird bevorzugt behandelt, was sich wiederum in vielfacher Hinsicht auf den Bewertungs- und Entscheidungsfindungsprozess auswirkt. Der Einfluss dieses Mechanismus auf die Kreativität dürfte auf der Hand liegen.
Es mag kontraintuitiv erscheinen, dass unser Gehirn eine Lösung, die wir auf einer bestimmten Ebene wiedererkennen, als kreativer ansieht als eine gänzlich unbekannte, doch kognitive Flüssigkeit legt genau diesen Schluss nahe. Das Gehirn hat eine Vorliebe für das einfach Fassbare – und wir fallen munter drauf rein.
Jazzkünstler
Einige zusätzliche Einsichten liefert eine Studie über Kreativität und Gehirnfunktionen, die an der Johns Hopkins University unter Leitung von Professor Charles Limb durchgeführt wurde. Mithilfe klinischer Studien wollte Limb herausfinden, was sich innerhalb des Gehirns abspielte, wenn man gestandene Jazzmusiker bat, zu einem Thema zu improvisieren, sprich: auf neue Art und Weise über eine Melodie nachzudenken. Man könnte annehmen, dass das Kunststück, improvisierte Jazzmusik zu spielen, verstärkte Aktivität in einem bestimmten Hirnbereich erfordern würde. Da an der Studie nur hochqualifizierte Profis mit Zigtausenden von Übungsstunden in ihrer Kunst teilnahmen, lag es nahe, dass sie je nach Bedarf
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