Gefaehrliche Maskerade einer Lady
am Nil schwer verwundet worden und hatte sich entschlossen, in Ägypten zu bleiben, um in der Sonne zu sterben und nicht in einem stinkenden Schiffsrumpf.
Doch Johnny Baxter hatte nicht nur Napoleons Okkupation sowie seine schweren Verletzungen überlebt, er war am Nil auch reich geworden. Er liebte das Land und wollte sein Leben hier beschließen.
„Er ist dort vollkommen integriert“, hatte Bertie Rafe erzählt. „Er hat seine frühere Krankenpflegerin geheiratet und ist glücklich geworden. Leider ist seine Frau im letzten Jahr verstorben, dennoch denkt er nicht daran, nach England zurückzukehren. Er lebt und kleidet sich wie ein Araber und spricht fließend die Sprache. Man würde ihn niemals für einen Engländer halten und schon gar nicht für einen in Eton erzogenen Aristokraten. Seine Familie schämt sich für ihn und hat ihn enterbt.“
Bertie hatte Johnny als ehrlichen und zuverlässigen Freund beschrieben, der mit Bettlern und Herrschern auskam und die Stadt wie seine Westentasche kannte. „Wenn dir jemand weiterhelfen kann, dann ist es Johnny.“
Was Bertie Rafe allerdings verschwiegen hatte, war die Tatsache, dass Johnny Baxter sich strikt weigerte, mit Europäern zusammenzuarbeiten.
Er werde Rafe nicht empfangen, weil er keinen Besuch aus England wünsche, ließ er durch einen Diener ausrichten. Doch Rafe ließ sich nicht so leicht abspeisen.
Er wusste aus seiner Zeit bei der Armee, wie viel Zeit und Umwege ein ortskundiger Führer sparen konnte.
Deshalb schickte Rafe seine Karte ein zweites Mal, doch diesmal mit einer knappen handschriftlichen Notiz.
Diesmal empfing ihn Johnny Baxter. Er war in arabische Gewänder gehüllt und nickte stumm, bevor er bei einem Diener Kaffee bestellte. Er ruhte auf einem niedrigen Diwan und beobachtete Rafe mit eiskaltem, schneidendem Blick. Rafe schätzte ihn auf etwa vierzig. Die Narben in seinem wettergegerbten Gesicht stammten vermutlich von Schrapnell-Splittern.
Rafe durchschaute die Taktik und unternahm erst gar keinen Versuch, das Schweigen zu brechen. Stattdessen lehnte er sich in die Polster zurück und wartete. Kaffee wurde serviert. Es war ein bitteres, körniges Gebräu, das abscheulich schmeckte, doch Rafe trank es kommentarlos.
So saßen sie eine ganze Weile.
Schließlich gähnte Rafe. „In der Schule haben wir früher ein ähnliches Spiel gespielt. Damals ging es allerdings darum, den Blick nicht zu wenden. Wer als Erster blinzelte, hatte verloren. Ich habe meistens gesiegt. Ich gewinne gern, müssen Sie wissen.“
„Aber trotzdem haben Sie zuerst gesprochen“, entgegnete Johnny Baxter leise.
Rafe zuckte mit den Schultern. „Heute langweile ich mich schneller. Im Übrigen bin ich kindische Spiele leid.“ Er sah seinen Gastgeber unverwandt an.
Der nickte nach einer Weile und bestellte weiteren Kaffee.
Rafe hob abwehrend die Hand. „Danke, für mich bitte nicht.“
Baxter straffte die Schultern. „Schmeckt Ihnen mein Kaffee nicht?“
„Nein, er ist abscheulich“, antwortete Rafe seelenruhig.
Es entstand eine längere Pause, doch dann lachte Johnny Baxter lauthals auf. „Kaum jemand würde es wagen, mir das direkt ins Gesicht zu sagen, aber Sie haben natürlich vollkommen recht. Mein Koch ist gestern in sein Dorf zurückgekehrt, weil jemand aus seiner Familie gestorben ist. Ich habe noch keinen Ersatz gefunden, und keiner meiner Diener ist in der Lage, einen anständigen Kaffee zu kochen. Ist das zu fassen?“
Er lehnte sich zurück und schlug einen freundlicheren Ton an.
„Nun erzählen Sie mal, woher Sie meinen Cousin Bertie kennen. Er ist der Einzige aus meiner Familie, der noch mit mir spricht. Ich nehme an, Sie waren zusammen im Krieg?“
Sie plauderten über den Krieg und über Bertie, und als alle Höflichkeiten ausgetauscht waren, trug Rafe sein Anliegen vor. „Man hat mir geraten, mich hilfesuchend an die englische Gemeinde in Kairo zu wenden.“
„Und warum befolgen Sie diesen Rat nicht?“
„Ich nehme an, dass die Geschichte des Mädchens längst bekannt wäre, sollte die englische Gemeinde etwas von ihm wissen.“ Johnny Baxter schnaufte verächtlich. „Völlig richtig. Das sind allesamt eingebildete Snobs. Sie wissen nichts über die Einheimischen und behandeln sie schlecht. Ich versuche, möglichst wenig mit ihnen zu tun zu haben.“
Rafe nickte. „Bertie meinte, Sie wären der richtige Mann, der mich über die Besonderheiten hier vor Ort aufklären und mir zu helfen kann, das Mädchen zu
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