Gefaehrliche Maskerade einer Lady
finden.“
Johnny Baxter war von der Geschichte über Sir Henry Cleeves verschollene Tochter faszinierend und versprach Rafe, sich unter den Einheimischen umzuhören. „Zeigen Sie die Zeichnung herum und lassen ein paar Münzen springen. Nur so könnten Sie etwas über den Verbleib des Mädchens erfahren.“
Er erzählte Rafe von der leer stehenden Cleeve-Villa und nannte ihm den Namen des Besitzers. Und er riet ihm, sich mit seinen Nachforschungen zu beeilen. „In den heißen Sommermonaten besteht in der Stadt erhöhte Seuchengefahr.“
„Ich wollte eigentlich vor der großen Hitze wieder in England sein“, erwiderte Rafe.
„Gut. Sie sollten unbedingt auch Zamil aufsuchen. Er ist Sklavenhändler und versteigert Frauen. Wenn das Mädchen noch lebt, und man seit sechs Jahren nichts von ihr gehört hat, steht zu befürchten, dass sie in einem Harem gelandet ist. Es ist eine grässliche Vorstellung, ich weiß, aber in dem Fall wäre es besser, der alten Dame zu sagen, dass ihre Enkelin verstorben ist. Eine junge weiße Jungfrau bringt einen hohen Preis, und Zamil handelt nur mit erstklassiger Ware. Sagen Sie ihm, Baxter schickt Sie.“
Also war Rafe zu Zamil gegangen.
Erstklassige Ware. Rafe biss die Zähne aufeinander. Er hoffte inständig, dass das kleine Mädchen auf der Zeichnung nicht an einem solch schrecklichen Ort gelandet war.
Doch auch Zamil hatte nichts von dem Kind gewusst.
Rafe nippte an seinem Brandy und wartete. Die Stille der Nacht täuschte ihn nicht darüber hinweg, dass der Friede nicht ewig anhalten würde.
Er hatte die Zeichnung herumgezeigt und Goldmünzen aufblitzen lassen. Es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Irgendjemand schnüffelte hinter ihm her, und dafür gab es gewiss einen guten Grund.
Auf dem Marktplatz hatte er es zum ersten Mal gespürt, dass er genau beobachtet wurde.
Der Spitzel hatte sich im Schatten der engen Gasse versteckt, und war in dem Moment verschwunden, als Rafe von einem Streit abgelenkt war. Aber das unheimliche Gefühl, verfolgt zu werden, blieb den ganzen Tag.
Die anschließende Begegnung mit dem Straßenbengel, der um die Hausecke gerannt kam und bei Rafes Anblick in die entgegengesetzte Richtung floh wie ein gehetzter Hase, gab ihm die letzte Gewissheit. Bei Zamil hatte er kurz den Eindruck gehabt, der Bursche würde in einer hinteren Ecke stehen. Sicher war er sich aber nicht. Und dann hatte später der kleine Junge Ali versucht, ihm das Bild zu stehlen.
Das unheimliche Gefühl zwischen Rafes Schulterblättern verstärkte sich. Irgendwo da draußen in der Dunkelheit lauerte jemand und beobachtete ihn.
War es ein Dieb? War es ein Mörder? War es der Mensch, der Ali befohlen hatte, ihn zu bestehlen?
Er dachte an Ali, der gefesselt und geknebelt im Nebenzimmer schlief. Es war Rafe weiß Gott nicht leichtgefallen, ein Kind gefangen zu halten, aber der Junge war der Schlüssel zu seinem Verfolger und der erste Hinweis, dass Rafe nicht umsonst nach Ägypten gekommen war.
Interessanter Weise hatte es der Junge nur auf die Zeichnung abgesehen und nicht auf das Gold.
Der Kleine mochte ein ungeschickter Taschendieb sein, aber mit der richtigen Ausbildung würde aus ihm ein guter Soldat werden. Er hatte eisern geschwiegen und nur seinen Namen verraten, obwohl ihn Rafe mithilfe des Dolmetscher hart ins Verhör genommen hatte. Mit zittriger Stimme hatte er behauptet, keine Familie, kein Heim und keinen Herrn zu haben. Er hatte steif und fest darauf bestanden, dass ihm niemand befohlen habe, das Bild zu stehlen. Er hatte es verdächtig oft behauptet, der tapfere kleine Bettler.
Nur ein Feigling befahl einem Kind, eine wertlose Zeichnung zu stehlen und zu riskieren, eine Hand zu verlieren.
Doch für irgendwen war dieses Bild nicht wertlos.
Rafe war froh, in Ägypten zu sein. Hier verspürte er eine Vitalität, wie seit Jahren nicht mehr. Er hatte den ganzen Tag in der sengenden Sonne verbracht, die Hitze war ihm bis in die Knochen gedrungen, und er konnte nicht genug davon bekommen. Ihm war so ewig lange kalt gewesen. Er hatte so furchtbar gefroren.
Er setzte sich und wartete. Es war auch lange her, dass er Wache gehalten hatte.
Der Mond stand tief am Nachthimmel. Rafe dachte verbittert an die Zukunft, die ihm sein älterer Bruder mit Lady Lavinia Fettiplace vorgezeichnet hatte. Der Plan war getrieben von der Besessenheit, die Erbfolge des Earldoms of Axebridge unbedingt zu sichern.
Ein leises Kratzen an der Hausmauer ließ ihn aufhorchen.
Lautlos zog
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